Die Seele des Ozeans (German Edition)
und miaut sich die Seele aus seinem kleinen, haarigen Arsch.“
Tatsächlich. Ein zartes, aber drängendes Maunzen durchdrang die neu gewonnene Stille. Wie hatte Henry das bei all dem Krach hören können?
„Ukulele!“, blaffte Alexander. „Fütter den Kater.“
„Sag bitte“, schmatzte der Hawaiianer
„Bitte.“
„Du bist näher an der Tür. Mach es selbst. Außerdem esse ich gerade.“
„Verdammt.“ Alexander rang die Arme gen Zimmerdecke. „Warum habe ich mir nur solche Idioten angelacht? Ihr seid Assistenten dritter Klasse. Ihr seid Ausschussware. Ich sollte euch … ach, egal.“
„Henry?“, grummelte Ukulele. „Wir sollten für unsere Rechte demonstrieren. Dieser Kerl wird mir zu dekadent.“
Alexander winkte ab, hetzte in die Küche, öffnete eine Katzenfutterdose, schaufelte den Brei in eine Schale und rannte wieder zurück.
„Und? Schon ein Ergebnis?“
„Warte!“ Henry kauerte vor dem Computer wie ein Geier vor seiner Beute. „Warte noch eine Sekunde. Mir kam gerade eine Idee. Das könnte klappen. Ja, das könnte wirklich hinhauen.“
„Wir warten schon seit Stunden. Bist du ein Genie auf deinem Gebiet oder bist du keins? War das schon alles, was du drauf hast?“
„Warte, verdammt noch mal!“
Alexander entlud seine Ungeduld in ausladenden Gesten. Er schwang seine Arme wie Dreschflegel, während er in immer hektischeren Kreisen durch den Raum tigerte. Dabei nicht über Kisten und Kartons voller Technikkram zu stolpern, glich einem Kunststück. Was für ein Chaos. Wozu besaßen sie all das Zeug, wenn es ihnen nicht weiterhalf? Das war, als hielte man einem ausgehungerten Hund einen saftigen Knochen vor die Schnauze, und zwar mit einer dicken Glasscheibe dazwischen. Er wusste, dass da unten etwas Mysteriöses geschehen war. Etwas wirklich Erstaunliches. Er fühlte es, wie man Kälte fühlte, wenn man seine nackten Zehen in den Schnee steckte.
„Henry! Lass dir was einfallen.“
„Ja genau.“ Ukulele stopfte den letzten Rest Meeresgetier in sich hinein. Die dabei entstehenden Geräusche erinnerten frappierend an ein Lovecraft-Hörspiel. „Lass dir was einfallen.“
„Hört auf zu quatschen. Ich muss nachdenken, zum Teufel. Entweder ihr seid still oder ihr geht raus.“
„Sind wir heute wieder empfindlich“, nuschelte Ukulele.
„Klappe, Fettsack!“
„Noch so eine diskriminierende Bemerkung“, gab der Hawaiianer unbeeindruckt zurück, „und ich setze mich auf dich drauf und esse Orangenmarzipanpralinen, während du verreckst.“
Alexander verdrehte die Augen. Er setzte sich auf das Fensterbrett und starrte über die Dünen hinweg auf das graue Meer. Still und leise formte sich die Entscheidung in ihm, an diesem Ort zu bleiben.
Auch, nachdem Fae gegangen war.
Nachdem sie tot war.
Seine kleine Schwester tot.
Gottverdammt!
Hasserfüllt beobachtete er die vom Wind getriebenen Wolken. Hasserfüllt hörte er das Schlagen der Wellen. Nein, so durfte er nicht fühlen. Fae würde es nicht wollen. Sie liebte dieses Land, und deshalb musste auch er es lieben. Es war das Einzige, was ihm zu tun blieb: Seine Schwester zu ehren, auch wenn sie nicht mehr bei ihm war.
Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf seinen Atem. Jeder musste steinige Wege beschreiten. Jeder musste Opfer bringen. Irgendwo hatte er einmal einen Spruch gelesen, der ihm die Augen geöffnet hatte. Wenigstens für einen kurzen Moment.
Jeder Mensch, der dir begegnet, ist eine Strafe, ein Test oder ein Geschenk.
Fae war alles drei auf einmal.
„Ich habe was“, durchbrach Henry den Kokon aus Stille und drohenden Gedanken. „Seht euch das an.“
Alexander übermannte das Gefühl, Lichtgeschwindigkeit erreicht zu haben. Er kauerte neben Henry vor dem Bildschirm, noch ehe ihm bewusst geworden war, dass er sich bewegt hatte. Ukulele beherrschte seinen Körper nicht mit derselben Präzision. Der Tisch und sämtliche Technik, die darauf stand, schepperten und bebten, als er in seiner Hast dagegen stolperte.
„Spinnst du?“, brüllte Henry. „Das ist hochsensibles Zeug.“
„Tschuldigung.“ Ukulele keuchte auf. „Aber das ist doch …“
Zu dritt starrten sie auf den Bildschirm, rückten näher und näher, bis ihre Köpfe sich berührten.
„Wie hast du das gemacht?“, flüsterte Alexander. „Ist das … aber das kann doch nicht …“
„Er ist es.“ Ukuleles braunes Vollmondgesicht drehte sich zu ihm herum. „Oder wir halluzinieren alle drei.“
„Der Typ, der Fae aus dem Wasser
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