Der Tote im Grandhotel
1. Kapitel
Wie vor fünf Jahren fragte sie: »War ich gut eben?«
Er antwortete wie damals: »Du warst fantastisch.« Sex mit Britta war aufwühlend. Totale Kraft, wilde Intensität. Ein Formel-1-Rennen, das beide gewinnen wollten.
Wenn man in diesem Genre blieb, so ließ sich Sex mit Lucie eher mit einer Tour im Rolls Royce vergleichen. Sanft und stark, verläßlich und luxuriös. Gewiß nicht das schlechteste, was einem Mann widerfahren konnte. Mindestens einmal die Woche. Kein schlechter Schnitt nach zwanzig Jahren Ehe.
Alte Männer übernahmen sich manchmal endgültig bei Schäferstündchen mit der jungen Geliebten. Eigensinnig trotteten dann Ehefrau und Gespielin hinter dem Sarg des Verblichenen her. Sie hielten Abstand voneinander und wetteiferten um den eindrucksvollsten Kranz und den überzeugendsten Eindruck edler Trauer. Eine Tragödie, welche allerdings die Stimmung der Trauergemeinde erheblich aufzulockern pflegte.
Aber er war zum Glück noch in einem Alter, in dem der Körper Ekstasen glatt verkraftete. Fünfundfünfzig: kein Grund zur Panik, doch höchste Zeit, bewußt den Nektar zu schlürfen, den das Leben noch bot.
Natürlich war man nicht mehr der feurige Meister, der sich in jedem Qualifikationslauf für die ›pole position‹ qualifizierte. Kleine Konditionsschwächen wurden jedoch durch Routine glücklich ausgeglichen.
Britta lag auf dem Rücken, und er ließ den Blick über ihren Körper gleiten.
Ein Rendezvous nach fünf Jahren Pause, das war schon etwas. Natürlich hatten sie beide nicht sehr oft aneinander gedacht, aber nun behauptete sie, vor Sehnsucht fast vergangen zu sein, und er log schnöde, er habe im Ehebett nur an sie gedacht. Fünf Jahre hielt niemand wirklich durch. Zuerst hatten sie noch miteinander telefoniert, dann waren die Kontakte seltener geworden und hatten schließlich ganz aufgehört. Doch nun war es erstaunlich schön und trotz einer gewissen Vertrautheit wie neu.
Britta war damals mit der INA nach New York gegangen, hatte sogar in Manhattan eine kleine Wohnung gefunden. Richard wußte nicht, ob der Umzug notwendig gewesen war, eine Anordnung der Fluggesellschaft etwa, ob ein Kerl dahintersteckte oder irgend etwas anderes.
Er war schließlich verheiratet und dachte nicht im Traum an Scheidung. Er wollte auch beileibe keinen Wind machen. Die schönste Romanze konnte nicht ewig dauern. Lucie war eine gute und attraktive Ehefrau. Und ihr gehörte die Firma. Punkt. Ein kluger Mann vergaß das nicht.
Berlin als Treffpunkt hatte Britta selbst vorgeschlagen, als sie ihn anrief und ihre Ankunft in Deutschland ankündigte. Sie schien das abenteuerliche Liebesleben geführt zu haben, das Männer sich meist zu wünschen und nie zu bekommen pflegten. Sie hatte mit einem Kerl fest zusammengelebt. Oder waren es zwei Kerle gewesen? Oder mehr?
Mit den kostenlosen oder stark verbilligten Tickets ihrer Fluggesellschaft machte sie große Reisen in aller Herren Länder und zu fremden Herren und Damen, die sie oft nur flüchtig kannte oder mit denen sie lediglich telefonisch Kontakte aufgebaut hatte im INA-Büro. Sie hatte eine warme, helle Stimme. Jüdinnen hatten oft diese hohe, melodiöse Stimmlage. Aber Richard wußte nicht, ob sie Jüdin war. Ihre Haut war sehr braun. Sie hatte von Natur aus dunkles Haar, das sie rot färbte. Über ihre Herkunft wollte sie nicht reden. Es konnte ihm ja auch egal sein.
Kennengelernt hatte er sie in Berlin bei der ›Tourismus-Börse‹. Britta sorgte dort am Stand der ›British Airways‹ als Hosteß bei den meist männlichen Kunden für den entscheidenden, das Interesse an just dieser Fluggesellschaft beflügelnden Hormonstoß.
Jetzt lächelte sie ihn an. Dieses Lächeln war jede Reise wert. Schon alle Tage die aus Rendsburg. Richard liebte das Grandhotel. Es war genauso, wie er sich Hotels vorgestellt hatte, als er überhaupt nicht in der Lage gewesen war, eins zu betreten, geschweige denn eins der Luxusappartements zu mieten – für Summen, die ihm auch heute noch eine leichte Gänsehaut verursachten.
Wenn man nicht aus erstklassigen Verhältnissen kam, mochte man vieles blendend überspielen, sich an anderes gewöhnen, doch ganz tief in seinem Inneren vergaß man nie, daß im Elternhaus beim Verlassen der Stube jedesmal die Lampe über dem Eßtisch mit der Fünfundzwanzig-Watt-Birne ausgemacht werden mußte.
Nicht aus Umweltschutzgründen, sondern aus reiner Sparsamkeit.
Britta war verschwenderisch. Schöne junge Frauen
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