Die Seelenjägerin - 1
Mädchens, dann schickte sie eine Welle glühender Energie durch seinen Körper, stark genug, um aus jedem einzelnen Abschnitt das Leben auszubrennen. Das Mädchen schrie auf vor Schmerz und krümmte sich, als die magischen Flammen durch seinen Leib gingen, aber es nahm keinen Schaden. Mit der Zeit würden die verkohlten Reste des Wurms seinen Körper auf natürlichem Wege verlassen, und er konnte sich allmählich erholen.
Als Kamala sicher war, dass sie ihr Ziel erreicht hatte, zog sie sich aus dem Körper des Mädchens zurück. Dann sammelte sie schweigend ihre Kräfte, bis sie sich wieder gefasst hatte. Sie hatte ihren Konjunkten so krampfhaft festgehalten, dass sie in Schweiß gebadet war und alle ihre Muskeln vor Erschöpfung schmerzten. Sie beschwor einen Hauch von Macht und entfernte geschickt die Feuchtigkeit von ihrer Haut, ohne die Flecken auf ihrer Kleidung anzutasten.
»Ein Tier hat deiner Tochter das Leben ausgesogen, und ich habe es getötet«, sagte sie ruhig, ohne die Mutter anzusehen. »Nun solltest du ihr oft zu essen geben, kleine Mengen nur, so viel sie aufnehmen kann. Sie braucht Kraft, um zu genesen.«
Die Frau zwinkerte mit den Augen. Die Tränen liefen ihr über beide Wangen. »Sie wird am Leben bleiben?«, flüsterte sie.
»Sie bleibt am Leben. Sie wird gesund.« Worte wie aus weiter Ferne, fast wie aus einem fremden Mund.
Mühsam stand Kamala auf. Der Raum drehte sich kurz um sie, dann stand er wieder still. Auch sie würde sich erholen.
Erda legte ihr die Hand auf den Arm. »Du hast ihr das Leben gerettet.«
Kamala zuckte steif die Achseln. »Ich habe getan, was ich konnte.« Die Leinenstreifen um ihre Brüste gerieten durch die Bewegung ins Rutschen, sie musste sie mit einer kleinen Menge Macht festhalten. »Wie ich es dir versprochen hatte.« Ich habe einem Moratus Kräfte entzogen, um einen anderen zu retten. So sieht die Macht aus, die uns die Götter verliehen haben, damit wir sie nach unserem Gutdünken gebrauchen.
»Du isst doch mit uns zu Abend? Wie ich es dir versprochen hatte? Mein Mann kommt bald nach Hause. Er …« Neue Tränen erstickten Erdas Stimme. »Auch er wird dir danken wollen«, flüsterte sie. »Er hatte die Hoffnung bereits aufgegeben.«
Kamala schüttelte den Kopf. »Ich muss weiter. Gib mir meinetwegen als Wegzehrung mit, was du erübrigen kannst; mehr brauche ich nicht. Entschuldige mich bei deinem Mann, wir werden uns bei anderer Gelegenheit kennenlernen.«
»Aber du hattest doch auch von einem Bett gesprochen …«
Kamala ließ sich nicht erweichen. »Es tut mir leid. Ich muss gehen.«
Sie versuchte nicht einmal, ihren Entschluss zu begründen. Die Frau könnte die Wahrheit nicht begreifen, und um glaubwürdig zu lügen, war Kamala zu müde. Nur ein Magister würde verstehen, warum sie diesen Ort und alle damit verbundenen Erinnerungen so schnell und so weit wie möglich hinter sich lassen wollte.
Ihr hattet recht, Meister. Ich hätte auf Euch hören sollen. In Zukunft werde ich Eure Warnung beherzigen, das gelobe ich.
Als Erda endlich einsah, dass sie Kamala nicht halten konnte, eilte sie in der Hütte hierhin und dorthin und trug so viel Verpflegung zusammen, als wollte sie ein kleines Heer versorgen: mehrere Brotlaibe, dicke Scheiben Käse, Pökelfleisch und Salzfisch. Hätte ihr Kamala nicht Einhalt geboten, sie hätte ihr wohl den gesamten Inhalt ihrer Speisekammer aufgedrängt. Nachdem sie die großzügigen Gaben zu einem Bündel geschnürt und obendrein durch eine schöne Wolldecke ergänzt hatte, war sie sichtlich betrübt, weil ihre Wohltäterin nicht mehr annehmen wollte.
»Es ist genug«, versicherte ihr Kamala.
Was ich sonst noch brauche, kann ich mir mit Magie beschaffen. Ein ungewohnter Frieden breitete sich in ihr aus. Auch ich bin jetzt gereinigt.
Es dunkelte bereits, als Kamala die kleine Hütte verließ. Nur einmal schaute sie zurück. Lange genug, um zu sehen, wie die Mutter ihr Kind in den Armen wiegte und ihm mit tränenüberströmtem Gesicht gelobte, es ewig zu lieben und zu beschützen. Kamala fuhr es wie ein Stich durchs Herz, sie verspürte einen unbestimmten, quälenden Neid, den sie sich nicht eingestehen wollte. Sie schaute durch die Mutter, durch das Mädchen hindurch in dessen Eingeweide, wo sich der wurmförmige Parasit eingenistet hatte. Er war nur noch verkohltes Fleisch, und die Därme hatten bereits begonnen, ihn nach draußen zu befördern. Bald würde nichts mehr von ihm übrig sein.
Leb wohl, Bruder ,
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