Die Seelenjägerin - 1
zurück.«
»Ich kenne den Mann. Und man hat ihm schon schlimmere Namen gegeben.«
»Jedenfalls gehört er jetzt den echten Raben. Oder zumindest seine Asche.«
Colivar hob überrascht den Kopf. »Ihr habt ihn verbrannt?«
»Es musste sein. Sonst hätte jeder Schatzsucher diesseits von Sankara die Stadt nach seinen Gebeinen abgegrast. Du weißt doch, das magische Geheimnis eines Magisters ist in seinem Körper eingeschlossen, und nach seinem Tod kann jede Hexe seine Macht an sich ziehen, wenn sie … aber ich will dir die Einzelheiten ersparen. Jedenfalls ist es so überliefert, und da es in jeder Generation höchstens einen toten Magister gibt, wollten wir nicht auf die Probe stellen, wie viele Leute an die alten Mythen glauben.«
Colivar nickte. »Ein weiser Entschluss.«
»Er stürzte von einer Brücke«, sagte Tirstan und hob den Becher. »Ein solch profanes Ende ist ungewöhnlich für einen der Unseren. Er war hinter einer Frau her, einer Hexe, die der edle Ravi im übelsten Teil der Stadt gefunden und vom Schmutz befreit hatte, um sie als Dame auszugeben. Er stellte sie als Sidra vor. Über die Frau oder den Namen gab es, abgesehen von dem Wenigen, was Ravi wusste, keinerlei Angaben; sie war wie aus dem Nichts aufgetaucht.«
»Wo ist sie jetzt?«
Tirstans schwarze Augen funkelten. »Würdest du auch nur eine Minute länger als nötig an einem Ort bleiben, wo du mit einem Magister allein warst und er zu Tode kam? Was immer sie für eine Hexe sein mag, sie hatte genügend Macht, um alles, was ihr gehörte, zu sich zu rufen, bevor sie verschwand, wir haben also nichts, womit wir sie aufspüren könnten.« Wieder nahm er einen Schluck Bier. »Das alles fanden wir natürlich erst später heraus, an jenem Abend war nur bekannt, dass sie geheimnisvoll war, und dass Ravi glaubte, sie verfüge über die Macht. Das hätte schon genügt, um die Aufmerksamkeit jedes Magisters zu erregen. Auch bestehen Rivalitäten zwischen den großen Häusern hier, mit denen einige von uns verbunden sind; als Ravi mit einer Magierin am Arm auftauchte, werteten das alle, die nicht wollten, dass er in der Hierarchie nach oben stiege, als offenen Angriff.« Wieder nahm er einen Schluck. »Außerdem dürfen die Hexen natürlich nicht übermütig werden. Viele Gründe für einen Magister wie den Raben, sich näher mit ihr zu befassen. Doch bisher konnte noch niemand Licht in das Dunkel um seinen Tod bringen.«
»Ich nehme an, du hast Ravi nach ihr befragt?«
»Natürlich. Alles, was ich dir erzähle, habe ich von ihm. Er hatte offenbar von einem Kampf unten im ›Viertel‹ gehört, an dem eine Hexe beteiligt war, und dachte, wenn sie so mit ihrer Macht auftrumpfte, hätte sie auch gegen einen gewissen gesellschaftlichen Aufstieg nichts einzuwenden. Er war bereit, für ihre Dienste zu bezahlen.«
»Nur ein Narr verkauft sein Leben, für welchen Preis auch immer.«
»Unsereiner hat da natürlich leicht reden. Aber nicht jeder kann statt seiner eigenen die Lebenskraft anderer Menschen verkaufen.«
»Erzähl mir mehr vom Tod dieses Raben.«
Tirstan zuckte die Schultern. »Er hatte sich während eines Fests auf eine der Brücken der Stadt begeben, entweder, um frische Luft zu schnappen – bei diesen großen Feiern wird es immer ziemlich stickig – oder um jene Frau zu verfolgen. Sie war auf der Brücke, das ist bekannt, wir haben Spuren ihrer Anwesenheit gefunden. Es wurde viel Macht beschworen, dabei wurde neben ihm die Brüstung zerschmettert, aber wir fanden keine Reste von Hexenkräften, die Macht stammte offenbar von ihm allein. Ich persönlich glaube ja, dass sich der Rabe mit ihr amüsieren wollte.«
»Und sie hat nicht zurückgeschlagen? Sie hat sich nicht gewehrt?« Colivar kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Kaum zu glauben, falls sie wirklich eine Hexe war.«
»Du kannst dich gerne selbst überzeugen, allerdings wurden alle wichtigen Spuren inzwischen bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Und der Körper des Raben ist natürlich nur noch Staub. Aber ich kann dir versichern, wir fanden weder auf der Brücke, noch an der Brüstung oder am Körper des Raben irgendwelche Anzeichen, die auf Hexerei schließen ließen.«
»Für den Sturz gibt es keine Erklärung?«
»Oh, warum er stürzte, wissen wir schon.« Das klang trocken. »Es geschah ihm ganz recht, wenn ich das sagen darf.«
»Weiter.«
»Er wurde … äh … wie soll ich mich ausdrücken …« Er kaute nachdenklich an seiner Unterlippe. »Nun ja, jemand hat
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