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Die Seelenjägerin - 1

Die Seelenjägerin - 1

Titel: Die Seelenjägerin - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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der Unmenschlichkeit, die unabdingbar war, wenn sie überleben wollten, und eine Seite musste den Kampf verlieren. Allerdings hatte Sula bereits mehrere Translationen erfolgreich hinter sich gebracht, und seine menschliche Seite war immer noch stark genug, um hin und wieder ans Licht zu kommen. Sehr … interessant.
    Schweigend, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend, stiegen sie die schmale Treppe hinauf. Oben wartete Mutter Tally, entschuldigte sich wortreich für ihre schlechten Manieren und bat um Verzeihung, weil das Brot noch nicht fertig sei. Ob sie vielleicht warten möchten? Colivar überließ es Sula, sich ihrer zudringlichen Gastfreundschaft zu erwehren; er war in sich gekehrt und nahm seine Umgebung kaum wahr.
    Der Stall, wo Sulas Pferde standen, war nur wenige Schritte vom Haus entfernt. Der Jüngere hatte alles gut vorbereitet, und so waren sie in kürzester Zeit reisefertig.
    Als sie die Pferde zur Straße nach Norden führten, brach Sula zum ersten Mal, seit sie Mutter Tallys Haus verlassen hatten, das Schweigen. »Woher weißt du so viel über die Zeiten, die nicht einmal in den Geschichtsbüchern erwähnt werden? Wann gab es denn zum letzten Mal die Möglichkeit, sich einen lebenden Ikata genauer anzusehen?«
    Colivar wich seinem Blick aus und riss an dem Riemen seines abgewetzten Lederranzens, um sich zu vergewissern, dass er ihn gut festgezurrt hatte. »Das hättest du mich fragen sollen, als du noch mein Schüler warst, Sula. Vielleicht hätte ich dir damals geantwortet.«
    »Wirklich?«
    »Nein.« Er setzte den Fuß in den Steigbügel und schwang sich geschickt in den Sattel. »Keine Fragen mehr, bis wir gesehen haben, was es zu sehen gibt, einverstanden? Ich bin selbst auf der Suche nach Antworten.«
    Sula nickte knapp und bestieg sein eigenes Pferd. Dann ritt er voran aus dem Dorf.
    Er gelobte sich, seine Frage nicht zu vergessen. Manche Dinge mussten einfach geklärt werden.
    Es war still, aber Colivar merkte sofort, wie unheimlich diese Stille war. Die Tiere aus den umliegenden Wäldern mochten diesen Ort besuchen, aber sie hielten sich hier gewiss nicht länger auf.
    Am Rand des Dorfes brachte er sein Pferd zum Stehen, saß lange nur da und sah sich alles gründlich an. Sula wartete schweigend an seiner Seite und klopfte nur einmal sein Pferd auf den Hals, als das Tier seinem Unbehagen an der ungesunden Atmosphäre mit lautem Schnauben Luft machte.
    »Wie lange ist es her?«, fragte Colivar endlich.
    »Einen Monat, soweit ich sagen kann. Der Junge hat kein zuverlässiges Zeitgefühl.«
    Colivar nickte. Wieder trat Schweigen ein. Dann saß er ab. Sula folgte seinem Beispiel. Die zwei Magister brauchten die Tiere nicht an einem Baum oder einer Haltestange anzubinden. Falls sie sich entfernten, konnten sie sie bei Bedarf jederzeit zurückrufen.
    Bedächtig schritt Colivar durch das Dorf und sah sich alles aufmerksam an. Schwarze Schatten huschten in die dunklen Ecken zurück, nur wenige wagten zu bleiben, wo sie waren. Ratten. Ein Tier stand Wache vor seiner Beute und zeigte sich bereit, sie gegen die Eindringlinge zu verteidigen. Die Beute war ein Knochen. Ein Menschenknochen. Colivar blickte sich um und entdeckte in den Schatten, an den Hauseingängen und mitten auf der Straße weitere Gebeine. »Die Tiere des Waldes waren hier«, murmelte er, und Sula nickte. Ein Dorf voller Leichen mochte für Menschen eine grausige Vorstellung sein, für die wilden Tiere in den umliegenden Wäldern war es nicht mehr und nicht weniger als die Einladung zu einem Festmahl.
    Sula fiel wieder ein, was Colivar ihm über das Gleichgewicht in der Natur beigebracht hatte, und er überlegte, welche Auswirkungen die Tragödie wohl auf die heimische Tierwelt hätte. Würden aufgrund des Überflusses mehr Fleischfresser geboren werden, nur um in einer Welt leben zu müssen, in der die Tische nicht mehr so reich gedeckt waren? Würde die Übervölkerung sie aus den Wäldern in die Siedlungen der Menschen treiben, um dort nach Nahrung zu suchen? Würden in fünf Jahren in einem fernen Ort Menschen sterben, ohne zu ahnen, was das Unheil ausgelöst hatte?
    Colivar hatte ihn auch gelehrt, dass alles miteinander in Zusammenhang stehe. Jede noch so kleine Veränderung in der Welt rufe ihrerseits weitere Veränderungen hervor. Der Unterschied zwischen der Kunst der Magister und der Kunst der Hexen bestehe darin, dass die Ersteren diesen Umstand sowohl in die Planung wie in die Ausführung ihrer Projekte mit

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