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Die Seelenjägerin - 1

Die Seelenjägerin - 1

Titel: Die Seelenjägerin - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Sommerhitze über dem Wüstensand. Ihre Züge verschwammen vor Sidereas Blick, sie verblassten und lösten sich auf wie Gespenster. Im Raum blieben nur die Hexenkönigin und ihre Diener zurück, der langsam abkühlende Leichnam auf dem Bett und der hartnäckige Geruch der Angst. Und die Stille.

Kapitel 32
    Seltsam, dachte Andovan, dass die Phasen seiner größten Kraft von den tiefsten Enttäuschungen gespeist wurden. Aber genauso war es.
    Enttäuschungen hatte er für die nächste Zeit genug erlebt, das wussten die Götter. Seine Träume waren keine verlässlichen Führer mehr, was bedeutete, dass er sich möglicherweise mit jedem Schritt weiter von seinem Ziel entfernte, anstatt ihm näherzukommen. Feststellen konnte er es nicht. In manchen Nächten kamen gar keine Träume. Es war, als hätte Colivars Zauber all seine Kraft verloren, und er stünde nun ganz allein im Nirgendwo und wüsste nicht, wohin. Wenn das zutraf, dann entsprach er genau dem Bild, das Fremde auf der Straße von ihm hatten: ein Wanderer, der ziellos durch die Lande irrte. Ein wahrhaft klägliches Ende für einen Prinzen aus königlichem Hause.
    Mit Sicherheit wusste er inzwischen nur eines: Wenn die Gesuchte in der Nacht, in der die Traumtürme einstürzten, Gansang kurz vor ihm verlassen hatte, dann stieg mit jedem Tag, der verstrich, ohne dass er sie fand, die Wahrscheinlichkeit, dass er sie für immer verlor, und deshalb haderte er innerlich mit den Göttern, den Sternen und allen anderen Schicksalsmächten. Hin und wieder spürte er, wie die Kraft fast wie früher seine Adern durchströmte und die Schwundsucht ihren Würgegriff um seine Seele lockerte. Doch solche Augenblicke waren selten und kurz. Schon bald kehrte die Schwäche zurück, erstickend wie ein Leichentuch, und raubte ihm die Kräfte und die Zuversicht. Nur mit Mühe schaffte er es, Nacht für Nacht in Bewegung zu bleiben und sich einzureden, dass Colivars Zauber noch wirkten, auch wenn er sie nicht mehr spüren konnte. Wenn seine Schritte nicht mehr von Träumen gelenkt wurden, sprang vielleicht der Instinkt in die Bresche.
    Die Träume selbst wurden immer wirrer, seltsame Bilder ohne Sinn und Verstand. Brennende Juwelen. Wollballen. Ein geköpftes Kind. Steine eines Mosaiks – oder zehn verschiedener Mosaiken –, die sich nicht zu einem sinnvollen Ganzen fügen wollten. Ließ Colivars Macht ihn im Stich, oder verlor er nur den Verstand? Oder hatte der fremde Magister von vornherein die Absicht verfolgt, ihn aus dem Palast seines Vaters zu locken, um dann seine Spiele mit ihm zu treiben …
    So darfst du nicht denken , ermahnte er sich. Das treibt dich erst recht in den Wahnsinn.
    Er setzte seine Reise fort, weil er davon ausging, dass auch sie unterwegs war. Unbekannte Dörfer versorgten ihn mit frischem Proviant und boten ihm manchmal auch ein wenig Zerstreuung, wenn etwa ein Einheimischer sich mit ihm anlegen wollte – nur um hinter ihm im Nebel zu verschwinden, als hätte es sie nie gegeben. Traumbilder. Inzwischen erschien ihm das ganze Leben wie ein Traum. Das bestürzte ihn, aber vor allem fürchtete er, es könnte ein Anzeichen für ein neues Stadium seiner Krankheit sein, das ihn noch weiter schwächte. Immer wieder zwang er sich, in einem Wirtshaus einzukehren, den Preis für Essen und Nachtlager zu entrichten, sich in eine dunkle Ecke zu setzen und den Erzählungen der anderen Reisenden zu lauschen. Vielleicht enthielt ja irgendein Bericht oder eine Klatschgeschichte einen Hinweis, der ihm weiterhalf. Aber diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Mutlos blieb er bis tief in die Nacht hinein sitzen, und wenn er am nächsten Morgen weiterzog, hatte er immer noch kein neues Ziel gefunden.
    Ich werde nicht im Bett sterben , schrie er den Göttern zu. Aber die schwiegen ungerührt. Und je länger die Reise dauerte, desto mehr verdichtete sich die Gewissheit, dass er nur einem sinnlosen, ruhmlosen Tod entgegenging.
    In der vergangenen Nacht hatten Kamala so schlimme Träume gequält, dass sie nicht mehr als eine Stunde Schlaf gefunden hatte. Jedes Mal, wenn sie den Kopf auf das Kissen legte, drohte sie wieder in die Tiefen des Abgrunds gerissen zu werden, und wenn, selten genug, die Erschöpfung sie übermannte und sie tatsächlich für kurze Zeit einnickte, erwachte sie gleich wieder in kalten Schweiß gebadet, und ihr Herz hämmerte, als wollte es zerspringen.
    Was immer sie verfolgte, es kam näher. Zumindest trieb die Angst davor sie allmählich in den Wahnsinn. Sie

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