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Die Seelenjägerin - 1

Die Seelenjägerin - 1

Titel: Die Seelenjägerin - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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verächtlich als neugierig. Man wartete fast darauf, dass eine gespaltene Zunge aus dem schmalen Mund glitt und die Luft nicht nur auf Düfte, sondern auch auf Geräusche prüfte.
    »Defreest wird unruhig«, überlegte der Magister, »und die Provinzen dahinter ebenfalls. Auch Corialanus im Süden, aber das ist Euch sicherlich bekannt. Hier …« Er fuhr mit einer Hand über die kleine Reihe von Provinzen, die das Reich im Westen säumten. Einige von ihnen hatten sich schon vor langer Zeit durch Verhandlungen einen halbwegs unabhängigen Status gesichert. »Hier gärt es zwar, aber das hat nicht viel zu sagen. Solange sie sich nicht einigen, sind sie keine echte Bedrohung.«
    »Mein Vater ließ ihre Städte in Brand stecken, als sie das letzte Mal einen Aufstand versuchten.«
    »Das haben sie sicherlich nicht vergessen.«
    Danton sah ihn scharf an. »Und was würdet Ihr mir nun raten, wenn Ihr mein Ratgeber werden solltet? Was würdet Ihr tun, wenn es Euer Reich wäre?«
    Die Frage enthielt eine zweifache Herausforderung.
    Die grauen Augen wurden schmal. Der Magister schwieg einen Moment und betrachtete die Karte. »Stellt ein Heer gegen Corialanus zusammen«, sagte er endlich. »Das Reich liegt zwischen Euch und den Freien Landen und wird deshalb jede Ausdehnung in diese Richtung behindern, wenn es nicht fest im Griff gehalten wird. Es wird bald erproben, wie weit es gehen kann, wo Eure Grenzen liegen …«
    »Es hat schon angefangen«, murrte Danton.
    Kostas nickte. »Dann gebt die richtige Antwort und greift an, bevor man dafür bereit ist. Ohne Gnade.«
    »Und im Norden?«
    »Ablenkung. Ihr müsst die Menschen dort in Atem halten, ohne noch ein Heer aufzustellen oder Eure Nachschublinien aufzuteilen.« Die gewittergrauen Augen begegneten Dantons Blick; aus ihren Tiefen sprach eine Kälte, die den Großkönig erschauern ließ. »Dafür könnte ich sorgen, Großkönig.«
    »Wie?«, wollte Danton wissen.
    »Mit ein paar Zaubereien, die Schrecken verbreiten. Sagen über Dämonen und Schlimmeres. Damit man gegen Schattenwesen aufrüstet, anstatt nach Süden und auf Eure Grenzen zu schielen. Menschen lassen sich durch Angst leicht lenken, Großkönig … und wir Magister verstehen uns auf solche Spiele.«
    »Nur wenige geben das so offen zu«, sagte Danton ruhig.
    Ein kaltes Lächeln huschte über Kostas’ Gesicht. »Ihr werdet feststellen, dass ich … nicht bin wie die anderen.«
    »Ihr seid also für die Erweiterung des Reiches?«
    »Für einen großen Staat ist die Expansion der natürliche Zustand, Eure Majestät.«
    Danton schnaubte. »Nicht alle meine Ratgeber sind Eurer Meinung. Einige behaupten, mein Reich sei an seine natürlichen Grenzen gestoßen – was immer das heißen soll. Sie warnen mich, dass eine Macht, die sich zu stark verteilt, früher oder später zusammenbricht.«
    Die Gewitteraugen glitzerten. »Alles bricht zusammen, Großkönig … früher oder später. Das größte Reich des Ersten Königtums war tausend Jahre später nur noch Staub. Dem größten Reich des Zweiten Königtums wird es eines Tages nicht anders ergehen. Vor diesem Herzschlag des Daseins vollzieht sich Politik, angetrieben vom Auf und Ab menschlicher Begierden … nicht anders als bei den Tieren, nur dass wir unsere Instinkte in hübschere Gewänder kleiden und manchmal anstelle von Zähnen und Klauen Worte einsetzen. Manchmal … auch nicht.«
    Die grauen Augen hefteten sich auf Danton; in ihren Tiefen regte sich sichtbar die Macht. Ein Geringerer wäre vielleicht verzagt, aber der Großkönig wusste, wie wichtig es besonders bei einem solchen Gespräch war, sich zu behaupten; was an diesem Abend an Absprachen getroffen wurde, würde Kostas’ Beziehung zu ihm bestimmen, solange sie beide auf Erden wandelten.
    Er begegnete dem unheimlichen Blick mit Festigkeit und sagte: »Weiter.«
    »Im Herzen sind wir Tiere, jeder von uns, auch wenn das Fleisch, das dieses Herz umgibt, weniger auszuhalten vermag. Wir spielen ›Zivilisation‹ und rühmen uns, Dinge wie Dichtung und Musik geschaffen zu haben, aber innerlich sind wir so revierbewusst wie die Wölfe. Der Rudelführer will sein Jagdgebiet erweitern, über seine Reichtümer verfügen, seinen Samen möglichst weiträumig verteilen … ob er aus diesem Drang heraus Bäume anpisst, die von einem Rivalen markiert wurden, oder ein königliches Heer ausschickt, um das Nachbarreich zu überfallen, läuft am Ende auf das Gleiche hinaus.
    Dass dieser Hunger bei Euch sehr stark ist,

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