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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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auch glückte – ein Magister, dem es an der nötigen Willenskraft fehlte, um einen Konjunkten an sich zu binden, hätte diese Prüfung niemals überlebt –, aber tief in ihrer Seele, wo die Zweifel und Ängste umherkrabbelten wie die Käfer, war sich Kamala ihrer selbst nicht so sicher. Die Translatio sei ein kurzer Vorgang, hatte Aethanus gesagt, und nach dem ersten Mal nahezu schmerzlos. Aber hatte er nicht selbst schlechte Erfahrungen damit gemacht und deshalb seine Stellung am Königshof aufgegeben? Hatte er ihr nicht eindringlich ans Herz gelegt, möglichst nicht in die Translatio zu fallen, wenn sie von Feinden umgeben sei, ihr aber gleichzeitig erklärt, dass sie im Grunde keinen Einfluss darauf habe?
    Jetzt endlich glaubte sie die Gefahr in ihrem ganzen Ausmaß zu begreifen, bloße Worte hatten das nicht bewirkt. Es gehörte zum Wesen der Translatio, einen Magister gerade dann am meisten zu schwächen, wenn er seine Macht am dringendsten brauchte. Je größer die Not, desto größer der Bedarf an Athra, desto wahrscheinlicher, dass man seinen derzeitigen Konjunkten restlos aussaugte und plötzlich ohne Macht und ohne Bewusstsein dastand.
    Wieder sah sie im Geiste das Entsetzen in den Augen des abgestürzten Magisters und erschauerte.
    Kein Wunder, dass manche Zauberer mit ihrer Macht so knauserig waren. Kein Wunder, dass viele sich einen Morati-Patron suchten, sodass ihre alltäglichen Bedürfnisse auf natürliche Weise befriedigt wurden, wenn sie mit ein paar Zauberkunststücken die kleineren Wünsche ihrer Herren erfüllten. Es war viel weniger aufwändig … und daher auch weniger riskant, einem Morati-Fürsten einen Liebestrank zu zaubern und sich dafür ein Schloss bauen zu lassen, als dasselbe Schloss mit gestohlenem Athra zu beschwören. Kein Wunder auch, dass manche Magister sich nicht einmal auf solche Geschäfte einlassen wollten und sich lieber ganz und gar aus der Welt der Menschen zurückzogen, wie Aethanus es vor so langer Zeit getan hatte. Solche Männer verzichteten auf ihre Macht, um Frieden zu haben, und zehrten nur langsam und mit Bedacht von den Kräften ihrer Konjunkten, nicht etwa, um das Leben ihrer Opfer zu verlängern, sondern weil es so entscheidend war, wo und wann der Tod sie ereilte.
    Sie konnte über all das jetzt nicht nachdenken oder es gar innerlich verarbeiten. Einfacher war es, für eine Weile auf den Gebrauch der Macht zu verzichten, um sich solch heiklen Fragen nicht stellen zu müssen.
    Als sie die neue Kleidung richtig angelegt und sich mithilfe ihres Spiegelbilds in einem Weiher vergewissert hatte, dass sie halbwegs wie ein Junge aussah, sprang sie auf ein Fuhrwerk mit Wollballen, dessen Fahrer zu betrunken war, um etwas von seinem Fahrgast zu bemerken. Die Ballen rochen nach Schaf, aber sie waren weich, und während der Wagen weiterschaukelte und sie den letzten Rest des gestohlenen Brotes verzehrte, saß sie in ihrem Wollnest so bequem wie der reichste Pascha des Südens auf seinen Seidenpolstern.
    Dabei könntest du ein solcher Pascha sein , erinnerte sie sich. Du könntest alles sein, was du willst, wenn du nicht Angst davor hättest, die Macht einzusetzen.
    Doch dieser Gedanke warf Fragen auf, denen sie sich jetzt noch nicht stellen wollte, und so schlug sie ihn sich aus dem Kopf, legte sich in dem Nest aus stinkenden Ballen zurück und suchte einen Zustand irgendwo zwischen Schlafen und Wachen, in dem sie Ruhe fände, ohne träumen zu müssen.
    »Sie nennen es die Schwundsucht.«
    Die Stimme übertönte den Lärm des Marktes und drang geradewegs an Kamalas Ohr. Sie zuckte zusammen und sah sich um.
    Das Fuhrwerk hatte sie auf einen kleinen, aber dicht bevölkerten Platz gebracht – wahrscheinlich diente er mehreren Dörfern im Umkreis als gemeinsamer Marktplatz –, aber wo genau sie war, wusste sie nicht. Sie war trotz bester Vorsätze während der Fahrt eingenickt; als sie aufwachte, konnte sie nicht abschätzen, wie weit sie gefahren waren oder welche Umwege sie genommen hatten. Sie hatte es eben noch geschafft, vom Fuhrwerk zu rutschen, bevor es anhielt, um seine Waren abzuladen, und sie am Ende noch entdeckt worden wäre. Eine grobe Orientierung war nicht möglich.
    Die Macht kann dir sagen, wo du bist , schalt eine innere Stimme.
    Sie hörte nicht darauf.
    Etwas Wichtigeres fesselte ihre Aufmerksamkeit: jener Satz, den ihr die warme Luft des Marktes so zielstrebig zugetragen hatte, als wäre er für ihre Ohren bestimmt. Sie sah sich suchend um. Endlich

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