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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Prolog
    Als Imnea erwachte, spürte sie, dass der Tod bereits auf sie wartete.
    Sie hatte seine Spuren schon eine ganze Weile bemerkt: ein kalter Luftzug, der sich hartnäckig in den Ecken des Hauses hielt; Schatten, die durch die Fenster fielen, sich aber nicht mit der Sonne fortbewegten; ein eisiger Hauch, der sie streifte, als sie das kleine Mädchen der Hardings heilte, und sie noch Stunden später erschauern ließ.
    Im Spiegel war nicht viel zu sehen. Natürlich nicht. Hexen alterten und starben nicht wie gewöhnliche Menschen. Bei ihnen verzehrte sich das innere Feuer schneller, so als hätte man den gesamten Holzvorrat für den Winter auf einmal hineingeworfen. Die Flamme loderte gewaltig auf, doch sie brannte auch allzu rasch nieder und wurde schließlich von der eigenen Asche erstickt.
    Wann hatte das Sterben begonnen? Schon in ihrer Jugend, als sie erstmals entdeckte, dass sie zu ungewöhnlichen Dingen – kleinen Wundern, kaum der Rede wert – fähig war, oder erst später? Hatte der Tod ein Auge auf sie geworfen, als sie mit dem naiven Entzücken des Kindes winzige Feuerfünkchen über das Fensterbrett tanzen ließ (Ihre Mutter hatte sie hart dafür bestraft!), oder erst dann, als sie gezielt in die Tiefen ihrer Seele vordrang, um aus jenem Urquell spiritueller Macht, den die Mystiker das Athra nannten, Kraft zu schöpfen und sie ihrem Willen zu unterwerfen? Wann und wo war der Bund mit dem Tod geschlossen und womit war er besiegelt worden? Mit der Heilung des Atkins-Jungen? Mit dem Regen, den sie nach der Großen Dürre von ’92 beschwor? Mit dem Tag, an dem sie Dirums Bein vom Wundbrand säuberte und ihm damit eine Amputation ersparte?
    Sie war fünfunddreißig Jahre alt und sah viel älter aus.
    Und sie fühlte sich wie eine Achtzigjährige!
    Bald , raunte der Tod aus dem Wispern der Schneeflocken. Bald …
    Mit einem Seufzer schob sie einige Scheite in den Herd und stocherte in der fast erloschenen Glut, um ihr ein wenig Wärme zu entlocken. Mehr als ein Jahr war vergangen, seit sie die Gabe zum letzten Mal eingesetzt hatte. Sie hatte gehofft, wenn sie damit aufhörte, würde ein Teil ihrer Kraft zurückkehren. Die inneren Energien, die das Athra überhaupt entstehen ließen, konnten es doch sicherlich auch wieder stärken, wenn man ihm keine Kraft mehr entzog. Doch selbst wenn das stimmte, wie viel von ihrem Leben mochte sie bereits verbraucht haben? Jedes Mal, wenn sie mit ihrer Zauberei ein Kind geheilt, einen Dämon ausgetrieben oder ein Feld gesegnet hatte, um es vor dem Einfall von Heuschrecken zu bewahren, hatte sie die dazu benötigte Energie dem Vorrat ihrer eigenen Lebenskraft entnommen. Und dieser Vorrat war nicht unbegrenzt, das wussten alle Hexen und Hexer. Ebenso wie sich die Kräfte des Körpers mit der Zeit erschöpften, verzehrten sich auch die Feuer des Geistes, bis sie nur noch schwelten und schließlich vollends erloschen. Verwendete man das Brennmaterial nicht nur dafür, selbst am Leben zu bleiben, dann ging das Feuer eben entsprechend früher aus.
    Doch wie konnte man die Gabe der Heilung besitzen, ohne sie einzusetzen? Wie konnte man zusehen, wenn ein Kind blau anlief, ohne ihm die Lungen frei zu machen und es ins Leben zurückzuholen, auch wenn man für die Tat mit kostbaren Minuten des eigenen Lebens bezahlen musste?
    Anfangs hatten ihr solche Minuten nicht viel gegeben. Was versteht ein junger Mensch von der Zeit, besonders, wenn ihm die Energie in den Adern brodelt und nach Ausdruck drängt? Wenn einem endlich zu Bewusstsein kam, dass Minuten sich zu Stunden fügten, aus Stunden Tage wurden und aus Tagen Jahre … klopfte der Tod bereits an die Tür.
    Keine Hexerei mehr , hatte sie sich vor einem Jahr geschworen. Die Zeit, die ihr noch blieb, sollte ihr allein gehören. Sie hatte im Dorf bekannt gegeben, sie könne keine Heilungen mehr vornehmen, und damit basta. Mochten die Leute sie dafür hassen. Sie würden ihr schlecht vergelten, was sie jahrelang für sie getan hatte, aber es würde sie nicht wundern. Bei Opfern, die andere zu bringen hatten, erwies sich die menschliche Natur oft als bemerkenswert undankbar.
    Es hatte schon angefangen. Das Gerede war bis zu ihr gedrungen. Inzwischen starb jedes Kind, das die Pocken dahinrafften, durch ihre Untätigkeit. An jeder tödlichen Verletzung trug ihre Herzlosigkeit die Schuld. Auch wenn Krankheiten und Verletzungen ein Teil des Lebens waren und man nur mit kostspieligen Wundern dagegen ankämpfen konnte. Auch wenn sie zwei

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