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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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hielt ein kunstvoll geschnitztes Ebenholzkästchen mit goldenen Angeln in den Händen wie einen Schatz von unschätzbarem Wert, trat zu den beiden, kniete vor der Liege nieder und reichte Siderea die Schatulle mit gesenktem Kopf, als sei er unwürdig, den Inhalt zu sehen. Sie zog an einer Kette ein goldenes Schlüsselchen zwischen ihren Brüsten hervor und schloss auf. Das Kästchen enthielt Dutzende von Papieren, sie blätterte darin, und zog endlich eines heraus. »Ich glaube, das war für dich.« Sie verschloss das Behältnis wieder, schob den Schlüssel unter ihr Gewand zurück und entließ den Jungen mit einem Nicken. »Ein Magister namens Sula hat es hinterlegt. Ein Schüler von dir, wenn ich recht verstehe?«
    »Vor langer Zeit. Ich wusste nicht, dass er deine Bekanntschaft gemacht hatte.«
    »Das tun früher oder später alle Magister.« Sie lächelte. »Jedenfalls sagen sie mir das.«
    Es war ein einfacher, nicht versiegelter Brief. Er entfaltete das Blatt und erkannte Sulas saubere Handschrift. Nimm bald Verbindung auf , stand da und darunter, als Unterschrift, die Initiale S. Colivar fuhr mit den Fingern über die Worte und spürte den Hauch von Macht, der ihnen anhaftete. Er reichte aus für einen einmaligen Kontakt zu Sula, bevor er sich verflüchtigte. Mehr war nicht nötig. Er steckte das Blatt ein.
    »Habe ich dir gute Dienste geleistet, mein Zauberer?«, murmelte sie.
    Er streichelte zärtlich ihre Wange. »Wie immer. Womit kann ich mich erkenntlich zeigen?«
    »Dessen bedarf es nicht. Einer bescheidenen Frau wie mir ist es eine Ehre, den Magistern zu dienen.«
    »Und mir bereitet es Vergnügen, der bescheidenen Frau für ihre Dienste zu danken.«
    »Nun denn, dieses Vergnügen will ich dir nicht verwehren.«
    »So sprich.« Er legte sich wieder zurück. »Die Macht regt sich in mir. Sag mir, wie ich sie einsetzen kann.«
    Sie schmiegte sich an ihn und tändelte mit einer Strähne seines Haares. Ihre Haut roch wie Mandeln, warm und einladend. »Wie ich höre, dürstet der Westen von Corialanus nach Regen. Wir haben einen langen, trockenen Sommer, die Ernte leidet. Vielleicht möchtest du dagegen etwas tun?«
    Er lachte leise. »Du hast Corialanus Regen versprochen?«
    »Fürst Hadrian weiß, dass ich eine Hexe bin. Er hat mich gebeten, seinem Volk zu helfen. Wie kann ich ihm die Bitte abschlagen?«
    »Er könnte sich auch an seinen König wenden. An dessen Hof gibt es genügend Zauberer.«
    »Offenbar will er nicht mehr in der Schuld seines Königs stehen als unbedingt nötig.« Ihre dunklen Augen glitzerten. »Das ist doch … interessant?«
    Er lachte leise. »Er wird dich so gut bezahlen, als würdest du tatsächlich für ihn hexen?«
    »Das wird er, wenn ich es verlange. Doch zunächst belassen wir es dabei, dass er mir einen großen Gefallen schuldig ist.«
    »Einen sehr großen Gefallen, wenn du für ihn einen Teil deines Lebens opfern sollst.«
    Sie lachte vergnügt. »Die Menschen sehen, dass die Jahre vergehen, ohne dass ich sterbe, und sie fragen sich, woran das liegt, Colivar. Weißt du, was sie inzwischen sagen? Sie tuscheln, ich wäre ein Magister.«
    »Solche Gerüchte habe ich auch gehört.«
    »Dabei bin ich nur den Magistern gefällig.« Sie schmiegte sich an ihn und streifte seinen Mund mit ihren Lippen, ein aufreizender Halbkuss, der Colivars Blut unverhofft stark in Wallung brachte. Gewöhnlich waren Magister gegen solche Versuchungen gefeit, nicht weil sie fleischlichen Lüsten nicht hätten frönen können, sondern weil das Spiel seinen Reiz verlor, wenn ein Mann entweder jede Frau haben konnte, die er begehrte, oder sich nur ein Abbild von ihr zu erschaffen brauchte, um sich einen Abend lang damit zu vergnügen.
    Hier war das anders.
    Wenn es eine Frau gab, dachte Colivar, die zum Magister geeignet wäre, dann sie. Schon jetzt stand sie ihrer Bruderschaft so nahe wie keine andere; nur ein kleiner Schritt fehlte noch, um die Schwelle endgültig zu überschreiten! Wenn sie allerdings lernte, die Macht in dieser Form zu beherrschen, ohne dabei ihre jetzigen Verbindungen aufzugeben, wäre sie der gefährlichste Magister auf Erden, und irgendwann würden sich wahrscheinlich alle zusammentun, mit denen sie das Bett nicht teilte, um sie zu vernichten. Vielleicht würden sich sogar ihre Liebhaber an dem Komplott beteiligen. Die Zauberer in den schwarzen Roben hielten ihren Verbündeten nur so lange die Treue, wie sie ihrer bedurften – oder bis sie sich von ihnen bedroht

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