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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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aber ihr war der Appetit vergangen. Jedes Mal, wenn einer der betrunkenen Männer einer Frau unter den Rock fasste oder ihre Brüste begrapschte, zuckte sie innerlich zusammen. Der Schmerz war so stark, dass sie wie in eine Trance fiel und sich nicht mehr von der Stelle rühren konnte. Aus den Tiefen der Vergangenheit griffen schwarze Hände nach ihr, zwängten sich zwischen ihre Beine und hinterließen eine Schleimspur aus duftenden Ölen …
    »Eine Geschichte aus Sankara!«, rief jemand.
    Gelächter war die Antwort. Kamala schüttelte den Kopf, um die Erinnerung an frühere Verführer auszuschließen, die sie bedrängten wie ein Wolfsrudel. Warum war sie hierhergekommen? Es war ein Fehler gewesen …
    »Ach ja, die Freien Lande!« Ein stämmiger Mann, dessen Schopf fast so leuchtend rot war wie Kamalas Haar, rieb sich wollüstig die fettigen Hände. »Ein Dutzend blühender Städte, alle nur einen Tagesritt voneinander entfernt, und alle so zerstritten, dass man sich ein Vermögen verdienen konnte.«
    »Ich habe gehört, beim Sommerfest auf Dechkala wäre beinahe die ganze Insel unter der Last der Speisen im Meer versunken.«
    »Oder unter dem Gewicht der Gäste«, lachte der Eynkar.
    »Sie mussten natürlich das Frühlingsfest von Orula übertreffen.«
    »Und das Winterfest von Lundosa.«
    Der Mann mit der ebenholzschwarzen Haut stand auf. Er hielt einen Krug in der Hand und schwankte ein wenig; die Huren griffen ihm auf beiden Seiten unter die Arme, um ihn zu stützen.
    »Eine Ode auf Sankara«, sagte er mit einer kleinen Verbeugung. Die Huren klatschten Beifall, und er räusperte sich und stimmte mit unerwartet reinem Tenor ein Lied an:
     
    Verführ mich nicht zur Lust, mein Kind,
    Ich kenne das Entzücken,
    Ich küsst’ sie unterm Himmelsblau,
    Was könnt’ mich mehr beglücken?
     
    Verführ mich nicht zum Reisen, Kind,
    Ich reist’ durch alle Land’,
    Und fand das Tor zum Paradies
    In einer Hexe Hand.
     
    In deine Arme schließ’ mich nicht,
    Sind sie auch warm und weich.
    Denn es liebte die Hexenkönigin mich
    Einstmals in ihrem Reich.
     
    Und sprich auch nicht von Liebe mir.
    Der Zauber hält noch an.
    Ja, ich will gar nicht frei mehr sein
    Von ihrem Liebesbann.
    Der Sänger beendete den kurzen Vortrag mit einer weiteren Verbeugung und erntete Gelächter und stürmischen Beifall. Eine der Huren wollte ihn küssen, als er auf seinen Stuhl zurückfiel, aber er hatte bereits seinen Krug an die Lippen gesetzt.
    »Ja, so ist Sankara«, sagte der Rotschopf. »Ich kann mich noch gut an das Mittsommerfest der Hexenkönigin erinnern. Es gab ein Feuerwerk, das den ganzen Himmel erfüllte, und sie ließ es tanzen wie zu einer Musik.«
    »Wundert mich, dass sie nicht mittanzte«, sagte der Eynkar.
    Der Rotschopf lachte. »Wenn sie gewollt hätte, gekonnt hätte sie schon.«
    »Aber dann hätte sie jung sterben müssen.«
    »Sterben?« Der Rotschopf schnaubte. »Hast du nicht gehört? Sie steht in der Gunst der Götter. Die lassen sie nicht sterben.« Er zwinkerte. »Sie schläft mit jedem von ihnen.«
    »Auch mit den Frauen?«
    »Besonders mit den Göttinnen. Ihr wisst doch, wie unbefriedigt sie sind.«
    »Sie werden zu oft vernachlässigt, weil ihre Männer lieber Blitze schleudern oder am Himmel Wagenrennen austragen.«
    »Genau.«
    Kamala sagte ruhig: »Erzählt uns mehr von dieser Hexenkönigin.«
    Einige Händler drehten sich nach der neuen Stimme um, aber die meisten waren zu sehr mit ihren Krügen oder mit den Brüsten ihrer Huren beschäftigt. »Was willst du denn wissen?«, fragte der Mann aus Durbana, ohne sich ihr zuzuwenden. Sein Akzent war weich, fremdartig, exotisch.
    Gibt es sie wirklich? , wollte Kamala fragen. Warum glaubt man, dass sie an ihren Künsten nicht stirbt wie alle anderen Hexen, sondern einen Ausweg gefunden hat? Aber sie hielt sich zurück. Diese Männer waren weit gereist, sie waren gebildet und hatten viel von der Welt gesehen; sie dagegen war nur eine ehemalige Hure, Schülerin eines Einsiedlers, der keine Ahnung hatte, wie es derzeit in fernen Ländern zuging. Wenn sie ihre Unwissenheit verriete, zollten sie ihr vielleicht nicht genügend Respekt, um ihre Fragen zu beantworten.
    So sagte sie nur scheinbar gleichmütig: »Wie viel von dem, was man sich über sie erzählt, ist Legende, und was ist die Wahrheit? Kannst du uns das sagen?«
    Jetzt drehte sich der schwarzhäutige Kaufmann um und suchte nach dem Sprecher, aber Kamala hatte die Schatten um sich gezogen und sich

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