Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
Gwynofar schützen. Verschiedene Grüppchen aus Hexen und Hexern und Soldaten hielten sich bereit, sich rings um die Stadt zu postieren, sobald der entsprechende Befehl erging. Die Hexen und Hexer hatten Seidentücher und kleine Schmuckstücke aus dem Kästchen bei sich, das Colivar einst Kamala gegeben hatte, wertvolle Dinge aus dem Besitz der Hexenkönigin, die vermutlich immer noch mit ihrer Resonanz behaftet waren. Wenn sie diese Gegenstände als Anker benützten, müssten sie ihre Hexenkräfte direkt auf Siderea selbst richten können, anstatt Zeit und Energie auf allgemeine Beschwörungen zu vergeuden. Selbst Ramirus hatte sich ein leuchtend rosarotes Tuch in den Gürtel gesteckt, dessen perlenbesetzte Enden bei jeder Bewegung klirrten. Wäre der Zweck nicht so todernst gewesen, der krasse Widerspruch hätte zum Lachen gereizt.
Colivar stand in einiger Entfernung von den anderen und starrte ins Halbdunkel. Kamala wusste nicht, wie sie ihn erreichen konnte und ob sie es überhaupt versuchen sollte. Er musste Angst haben – welcher Mann würde sich nicht vor der Rolle fürchten, die er in diesem Feldzug spielen sollte? –, aber wenn er diese Angst nicht einmal sich selbst eingestehen wollte, wie sollte ihm dann ein Außenstehender helfen, damit umzugehen?
Sie trat dennoch zu ihm und schaute eine Weile ebenfalls schweigend in die Dämmerung hinein. Im Zentrum der großen Ebene wurde allmählich ein verschwommenes graues Gebilde erkennbar. Colivar drehte eines der Knochenstücke in seiner Hand hin und her, während er es anstarrte, und fuhr mit den Fingern unbewusst die Symbole in der Oberfläche nach. Kamala wusste, dass die andere Hälfte dieses Ankers vor dem Haus der Götter vergraben war, Genaueres hatte man ihnen allerdings nicht gesagt. Wer immer damit ein Portal ins Innere von Jezalya öffnen wollte, musste blind reisen.
»Es muss noch eine andere Möglichkeit geben«, sagte sie endlich. Sie sprach leise, damit niemand sonst sie hörte.
»Die Hexen und Hexer brauchen Zeit, um ihre Positionen einzunehmen und ihr Ritual zu vollziehen, bevor sie die Barriere errichten können. Doch sobald sie deine Schutzzone verlassen, kann Siderea sie entdecken. Jemand muss sie also ablenken, zumindest in den ersten paar Minuten, sonst klappt unser Plan nicht. Das werden wir mit meiner Anwesenheit in der Stadt erreichen.«
Darauf erwiderte sie nichts. Sie hatten diesen Punkt in Coldorra ausführlich besprochen, und niemand hatte eine bessere Idee gehabt. Nun lösten sich alle Träume, dass sie in letzter Minute noch eine Alternative fänden, zusammen mit der nächtlichen Dunkelheit in nichts auf.
»Siderea wollte mich in Tefilat nicht töten«, erinnerte er sie. »Sie wollte mich nur gefangen nehmen. Man kann sich also vorstellen, dass sie mich auch jetzt nicht sofort töten wird, selbst wenn es ihr gelingen sollte, mich in ihre Gewalt zu bekommen.«
»Und wenn sie geplant hätte, dich zu foltern?«
Sie sah, wie sich seine Kiefermuskeln spannten. »Nun, dann wäre sie damit doch auch abgelenkt, nicht wahr?«
Kamala wollte etwas erwidern, aber er drehte sich um und legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Pst. Schluss jetzt.« Er zog einen Silberring vom Finger und legte ihn in ihre Hand. Der Ring sah genauso aus wie jener, den er in Tefilat verloren hatte; sie spürte ein kurzes Kribbeln, als ihr Lazaroths Gift wieder einfiel. »Ich kann dir keine Botschaft schicken, ohne dass sie es entdeckt. Du musst also damit alles in Erfahrung bringen, was nötig ist. Wenn ich ums Leben komme, setzt du die Operation sofort in Gang. Dann ist Siderea hoffentlich so mit meinem Tod beschäftigt, dass ihr die Zeit bekommt, die ihr braucht.« Er faltete ihre Finger über dem Ring. »Die anderen werden warten, bis du das Zeichen gibst. Das habe ich mit Salvator vereinbart. Du bist diejenige, die ihnen sagen muss, wann es losgeht.«
»Gut.« Sie schloss die Hand fest um den Ring. »Aber du musst mir versprechen, wohlbehalten zurückzukehren.«
Sie glaubte, eine bodenlose Traurigkeit in seinen Augen zu sehen.
»Ich habe das Unheil angerichtet«, flüsterte er. »Vor einer Ewigkeit. In einem anderen Leben. Jetzt muss ich mithelfen, die Welt wieder davon zu befreien.«
Er trat zurück und warf einen fragenden Blick auf Salvator. Der Großkönig nickte. Colivar schloss kurz die Augen und konzentrierte sich. Unmittelbar vor ihm begann die Luft zu flimmern, und ein Portal von der Größe und Breite eines Mannes entstand. Ohne sich
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