Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
Herzen überzeugt war, dass die Seelenfresser nicht wiederkehren würden, wenn sich genügend Menschen bereitfänden, für die Sünden der Menschheit Buße zu tun. Unser Opfer würde den Zerstörer beschwichtigen und die Welt vor seinem Zorn beschützen. Aber wir sind gescheitert.« Seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. »Wir sind gescheitert , Vater. Und nun werden die uralten Dämonen abermals auf uns gehetzt, um das Zweite Königtum ebenso zu Fall zu bringen wie einst das Erste.
Was ist nun also unsere Pflicht als Büßer? Beiseitezutreten, wenn die Welt zerstört wird, und nichts weiter zu tun, als laut klagend am Rand des Schlachtfelds zu stehen? Dürfen wir den Inhalt unserer Bibliotheken verstecken, damit unser Wissen für künftige Generationen bewahrt bleibt, wenn die menschliche Zivilisation endgültig zusammenbricht? Oder gälte das als Frevel, als ein Versuch, die Wucht der göttlichen Gerechtigkeit zu mildern? Dürfen wir diese Ungeheuer auf irgendeine Weise bekämpfen? Oder sind wir im Namen des Zerstörers verpflichtet, tatenlos zuzusehen, wie sich die schlimmsten Prophezeiungen unseres Glaubens erfüllen?
Diese Fragen werden in unseren Schriften nicht angesprochen. Und die Primi kann ich nicht um Antworten bitten. Zu viel Macht ist in solchen Fragen enthalten, als dass ich sie einem Mann anvertrauen dürfte, der Macht begehrt.« Er spreizte die Hände. »Deshalb bin ich damit hierhergekommen. Zu Euch, Vater. Um zu hören, wie Ihr über diese Dinge denkt.«
Der Abt schwieg lange. Endlich sagte er sehr ruhig: »Dein Vertrauen beschämt mich. Aber ich kann dir keine Antworten geben, und das weißt du auch. Du musst sie schon selbst finden.«
»Ich bin nicht zu Euch gekommen, damit Ihr mir meine Fragen beantwortet«, sagte Salvator. »Ich bitte Euch nur, sie mit Eurer Weisheit zu beleuchten.« Als der Abt schwieg, drängte er: »Der Schöpfer führte mich einst in dieses Kloster, damit ich ein Mann des Friedens würde. Nun hat Er mir ein Schwert in die Hand gegeben, wie es kein anderer Mensch führen kann. Wenn ich es einsetze, verrate ich dann meinen Glauben? Ich weiß nur, dass ich vielleicht mein Reich verrate, wenn ich mich weigere, es zu tun.«
Der Abt wandte sich von ihm ab. Schweigend stand er da, reglos wie eine Statue, und ein später Sonnenstrahl fiel auf seine bloßen Füße in den Sandalen. Er sprach nicht laut, aber Salvator wusste, dass er betete, und wartete.
»Die Kirche hat erklärt, dass die Lyr dem Schöpfer kein Gräuel sind«, sagte der Abt endlich. »Die Macht in ihren Adern ist eine Naturgewalt, ein Werk des Schöpfers. Jedenfalls sagt man uns das jetzt. Hätte Gott die Menschheit mit einer solchen Macht beschenkt, wenn er nicht wollte, dass sie auch eingesetzt wird?«
»Auch die Magister besitzen Macht«, gab Salvator zu bedenken.
»Die Macht der Magister ist unrein, sie wurde aus dem Herzen der Schöpfung gerissen und in eine abscheuliche Form gegossen, die Gott und der Natur zuwider ist. Nur die schwärzesten Seelen befassen sich mit wahrer Zauberei, und jeder Mensch, der damit in Berührung kommt, wird mit in den Schmutz gezogen.«
Er drehte sich wieder um und sah Salvator an. »Ich habe die alten Schriften gelesen. Nicht nur das Buch der Zerstörung, das du kennst, sondern auch andere Dokumente. Vergessene Texte auf Pergamentfetzen, die so brüchig sind, dass der leiseste Windstoß sie zu Staub zerfallen ließe, oder eingeritzt in Lehmtäfelchen, die in tausend Scherben zerbrochen waren und von Generationen von Mönchen mühsam wieder zusammengesetzt wurden. In all diesen Dokumenten – in allen Gebeten unserer Vorfahren – findet sich kein Wort der Verdammung gegen jene, die im Großen Krieg gegen die Seelenfresser kämpften. Ich habe sogar Bruchstücke eines alten Psalms gesehen, in dem ihr Opfer gepriesen wurde. Ihre Mission war zum Scheitern verurteilt, doch ihr Mut wurde rückhaltlos gefeiert. Daraus folgt … dass solche Handlungen von unserem Glauben mit Sicherheit nicht verurteilt werden.«
Salvator nickte knapp.
»Ob das die gleiche Antwort ist, die dir dein Primus geben würde, weiß ich nicht. Wie du bereits erwähntest, könnte er die Sache … aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Doch soweit ein einfacher Bruder eine persönliche Meinung äußern darf … ist dies die meine.«
»Das heißt, jetzt liegen zwei Wege vor mir«, stellte Salvator fest. »Wenn meine oberste Pflicht Gott gilt, welcher Pfad ist dann der richtige?«
Ein
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