Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
ihn zu. Er wirft sich über den nächsten Schössling und schützt ihn mit seinem Körper. Doch als der Schatten weitergezogen ist und er sich wieder erhebt, sieht er, dass er die Pflanze zerdrückt hat. Er hat sie getötet.
Wie töricht zu glauben, jemand wie er könnte fähig sein, Leben zu fördern!
Ein Seelenfresser ist vor ihm auf dem Boden gelandet. Sein langer Hals bewegt sich wie eine Schlange, und der Kopf schießt auf die verbliebenen Schösslinge zu und fängt an, sie aus der Erde zu reißen. Das ist zu viel der Schmach! Der Zorn verleiht Colivars schmerzenden Gliedern neue Kräfte, er rafft sich auf und tritt der Kreatur gegenüber, um sie zu vertreiben. Und koste es ihn das Leben!
Doch die Gestalt verschwimmt. Die Farben flimmern im Sonnenlicht, die blauschwarze Haut, die bunt schillernden Schwingen zerfließen und verwandeln sich in … etwas anderes.
Eine Frau.
Siderea.
»Vergiss diesen Ort«, flüstert seine ehemalige Geliebte. »Vergiss, wozu du geworden bist, seit du einst den Tod betrogen hast. Verabschiede dich von deiner menschlichen Hälfte, und du bekommst einen Platz an meiner Seite. Du weißt doch, was du wirklich willst. Es ist immer noch das Gleiche, was du von jeher gewollt hast. Ich kann es dir geben.«
Der menschliche Teil seines Gehirns erkennt die Falle, aber die andere, die vergessene Hälfte kümmert das nicht. Ihre Worte, ihr Duft bringen sein Blut in Wallung. Plötzlich sind die Schösslinge nicht mehr von Bedeutung. Erinnerungen übernehmen die Macht, Erinnerungen an ein Leben, das er seit Jahrhunderten zu vergessen sucht. Das Auf und Ab bunt schillernder Schwingen – von schmerzhafter Schönheit. Der eisige Wind, der ihm in die Haut schneidet. Die Todesangst seiner Rivalen, wenn sie in die Schwärze hinabtrudeln, um tief unten auf den Felsen zu zerschellen.
Nein! Sein menschliches Ich schreit warnend auf, aber er versteht seine Sprache nicht mehr.
Langsam stolpert er auf sie zu.
Und ihr Körper beginnt wieder zu flimmern.
Und verwandelt sich.
Er erkennt nicht gleich, welche Gestalt sie jetzt annimmt. Doch dann erstarrt er vor Schreck und bleibt wie angewurzelt stehen.
Die rothaarige Hexe lächelt ihn an. »Hallo, Colivar.« Als die Seelenfresser am Himmel ihre Stimme vernehmen, machen sie kehrt und steuern auf sie zu. »Ich habe gehört, du suchst nach mir …«
Colivar schreckte aus dem Schlaf.
Zunächst lag er ganz still in seinem Bett und lauschte dem Pochen seines Herzens. Dann entzündete er mit einer raschen Beschwörungsgeste die Lampen an der Wand gegenüber. Warmes bernsteingelbes Licht breitete sich aus, weich und beruhigend. Er nahm einen tiefen Atemzug und beschwor eine kleine Menge Athra, um seinen Herzschlag zu beruhigen. Aber seine Gedanken konnte er mit Zauberei allein nicht zum Schweigen bringen.
Es war ein Traum , versicherte er sich selbst. Nicht mehr als das.
Allerdings waren ihm selbst seine Träume inzwischen verdächtig. Wenn Siderea eine neue Quelle der Macht entdeckt hatte, konnte es durchaus sein, dass sie mit dem Geist ihrer ehemaligen Liebhaber ihre Spielchen trieb. Früher hatte sie sich aus Höflichkeit zurückgehalten – vielleicht auch aus Angst vor Vergeltung, falls die Magister sie dabei ertappten, wie sie ihre Hexenkünste gegen sie einsetzte – doch jetzt gab es für sie keine Grenzen mehr. Nun, Colivar hatte die emotionalen Spuren untersucht, die sie in Sankara zurückgelassen hatte, und wusste, wie sehr sie die Magister hasste. Gewiss, sein Traum hatte auf manches verwiesen, wovon Siderea unmöglich wissen konnte, folglich konnten nicht sämtliche Inhalte von ihr geschickt worden sein, aber dies bedeutete keineswegs, dass nicht ein Teil von ihr kam und sein eigenes Bewusstsein diesen Teil mit weiteren Einzelheiten ergänzt hatte.
Und dann war da noch die rothaarige Hexe.
Er erinnerte sich, wie selbstverständlich Kamala in Keirdwyn ihre Macht eingesetzt hatte. Als ob es sie nichts kostete. Und er erinnerte sich an den eisigen Hauch wahrer Zauberei in ihrem verlassenen Zimmer in Gansang. Damals hatten sie diese Spuren einem unbekannten Magister zugeschrieben, der sie unter seine Fittiche genommen hatte, doch seit er sie genauer hatte beobachten können, war er überzeugt, dass sie allein auf der Welt stand – und auch allein arbeitete. Das ließ nur einen Schluss zu.
Wagst du es, sie Magister zu nennen? , fragte er sich.
Mit dem Titel war so viel Macht verbunden! Und natürlich offenbarte sich darin, wie man ihn
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