Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
durchgehen. Ich meine, als normaler Mensch.« Er sah Ramirus an und fügte hinzu: »Er könnte sogar dich täuschen.«
»Und eine solche Maskerade mag nicht für alle erforderlich sein«, stellte Lazaroth fest. »Wenn sie nämlich in den südlichen Reichen Verbündete haben.«
Stille trat ein. Der Name Siderea Aminestas hing in der Luft, unausgesprochen, aber durchaus erkannt.
»Ramirus. Sula.« Lazaroth beugte sich vor und stützte die Fingerspitzen auf die Tischplatte. »Ihr beide hattet niemals Umgang mit dieser berühmten Hure, ebenso wenig wie ich. Colivar … ich habe gehört, dass sie von all ihren Liebhabern ein Unterpfand sammelte, um sie als Anker für ihre Hexenkünste zu verwenden. Aber das deine hätte sie nicht mehr. Ist das wahr?«
»Sie hat mich damit zu sich gerufen, als die Seelenfresser in Corialanus auftauchten«, antwortete Colivar. »Und es wurde nicht ersetzt. So weit liegst du also richtig.«
»Kennst du noch jemanden, auf den das zutrifft?«
Colivar zögerte. »Fadir wurde am gleichen Tag gerufen wie ich, sein Unterpfand wurde also ebenfalls zerstört. Ich weiß nicht, ob es jemals ersetzt wurde. Ich kann dir auch nicht sagen, ob sie an diesem Tag noch andere Magister zu sich beordert hat, die aber ihrem Ruf nicht folgten. Danach ging es mit Siderea sehr schnell bergab; es würde mich wundern, wenn irgendein Magister bereit gewesen wäre, ihr ein neues Liebespfand zu überlassen, nachdem er gesehen hatte, was mit ihr geschah.«
Lazaroth nickte. »Fünf von uns wissen also mit Sicherheit, dass sie nicht unter ihrem Einfluss stehen. Vielleicht gibt es noch ein paar mehr, die nie ihre Liebhaber waren. Viele sind es gewiss nicht.«
Colivars Augen wurden schmal. »Die Pfänder, von denen du sprichst, werden schon durch die kleinste Fahrlässigkeit zerstört. Was ihnen anhaftet, sind bestenfalls schwache Spuren des Besitzers, nicht stark genug für einen Zauber, der diesen Namen verdient. Wenn solche Dinge wirklich Macht besäßen, hätte man sie niemals einer Morata überlassen.«
»Ich will dir zugutehalten, dass du selbst daran glaubst«, gab Lazaroth kalt zurück, »obwohl du mir andernfalls sicherlich die gleiche Geschichte erzählen würdest. Abgesehen davon halte ich Königin Siderea für so beschlagen, dass sie noch aus der geringsten Menge Macht die größte Wirkung herauszuholen vermag.«
»Das steht außer Frage«, murmelte Ramirus.
»Die Absichten eines Mannes können durch einen einzigen Traum verändert und seine Pläne durch einen einzigen geschickt gestreuten Zweifel untergraben werden. Die Männer, die ihr ein Unterpfand gaben, waren ihre Liebhaber, ihre Gefährten, ihre Ratgeber – und das heißt, sie kennt sie so gut, wie es einem Moratus beziehungsweise einer Morata nur möglich ist. Kannst du mit letzter Sicherheit ausschließen, dass sie einen solchen Traum zu beschwören, einen solchen Zweifel zu säen wüsste? Oder dass solche Pfänder ihr helfen könnten, die normale Abwehr ihrer Magister zu umgehen und sie mit einem noch stärkeren Hexenbann zu treffen?«
Colivar schwieg lange. Sogar seine Gedanken schwiegen. »Nein«, sagte er endlich. »Das kann ich nicht ausschließen.«
Lazaroth lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Düsterer Triumph sprach aus seinen Zügen. »Wie ich höre, durchkämmen ihre ehemaligen Liebhaber jeden Winkel, um in Erfahrung zu bringen, wohin sie verschwunden ist. Sie wollen ihre Spielsachen zurückhaben. Doch mit Zauberei ist sie offenbar nicht aufzuspüren. Auch die Seelenfresser sind nicht ausfindig zu machen. Drei Dutzend Dämonen könnten sich in unserer Welt herumtreiben, und die mächtigsten Männer unserer Zeit sind nicht in der Lage, einen lächerlichen Hinweis zu beschwören, der ihnen verriete, wo sie sich aufhalten. Das macht mir Sorgen, Magister. Das macht mir große Sorgen.« Er legte eine Pause ein und schloss leise: »Vielleicht sollten wir uns gemeinsam Sorgen machen.«
Ramirus zog eine Augenbraue hoch. »Du schlägst doch nicht etwa eine Zusammenarbeit vor?«
»Du weißt so gut wie ich, was geschieht, wenn wir die Lage nicht in den Griff bekommen.«
»Das war nicht meine Frage.«
Lazaroth nickte. »Ja, ich schlage vor, dass wir vier unsere Kräfte bündeln. Wir könnten Fadir anbieten, zu uns zu stoßen, wenn ihr meint, er könnte uns nützlich sein. Aber niemanden sonst. Aus den bereits erwähnten Gründen.«
»Weil man keinem anderen trauen könnte.« Colivar nickte zustimmend. In dieser Aussage lag eine Ironie,
Weitere Kostenlose Bücher