Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
um mehr über diese Frau zu erfahren. Doch wenig später hatte ihr Leben eine neue Wendung genommen, und nun waren ihr andere Dinge wichtiger. »Und Ihr glaubt, das zu erfahren wäre wichtig für mich … Wie kommt Ihr darauf?«
Er biss in seine Dattel und genoss mit geschlossenen Augen ihre Süße. Sein Schweigen machte sie rasend. Am liebsten hätte sie ihn am Kragen gepackt und ihn durchgeschüttelt.
»Wie die Dinge liegen«, sagte er endlich und richtete den Blick wieder auf sie, »ist sie mit einem Seelenfresser durchgebrannt.«
Kamala lief ein kalter Schauer über den Rücken. »Was soll das heißen?«
»Siderea Aminestas hat sich offenbar mit einer der Bestien verbündet. Ähnlich wie Anukyat in Alkal. Du weißt sicher noch, wie diese Beziehung endete.«
Die Erinnerung weckte einen Hass in ihr, der kaum zu bändigen war; sie musste ihre ganze Willenskraft aufbieten, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr seine Worte sie erschüttert hatten. Sie holte tief Luft und wartete fünf Herzschläge ab, bevor sie sprach. »Also … eine Frau, die ich nie gesehen habe, aus einem Land, das ich nie besucht habe, Herrscherin über ein Volk, das mich in keiner Weise interessiert, ist irgendwohin durchgebrannt, aus Gründen, die ich nicht kenne und die mir gleichgültig sind … Seelenfresser oder nicht, was geht es mich an? Ich finde, das solltet Ihr besser den Heiligen Hütern erzählen.«
»Und wenn ich dir nun sage, dass bisher kein Magister sie ausfindig machen konnte?«
Sie blinzelte. »Kein einziger?«
»Viele haben es versucht. Alle sind gescheitert.«
»Hatten sie gute Anker?«
»Ich weiß, dass einer es in Sidereas eigenem Palast versuchte, inmitten ihrer Habseligkeiten, auf Laken, die noch feucht waren von ihrem Schweiß. Ihre Lebensessenz war tausendfach an diesem Ort verankert. Dennoch konnte er keine Verbindung zu ihrer Besitzerin herstellen. Niemand kann das. Für unsere Zauberkünste ist sie vom Angesicht der Erde verschwunden.«
Das ist nicht möglich , dachte sie. Aber sie wollte nicht zu erkennen geben, wie gut sie über die Künste der Magister Bescheid wusste. »Vielleicht ist sie tot?«
»Der Tod hat seine eigene Signatur, wie du natürlich sehr wohl weißt. In diesem Fall fehlen alle Hinweise darauf. Sie ist also noch am Leben, aber irgendwie verbirgt sie sich vor uns. Und das …« Er schüttelte den Kopf, seine Züge hatten sich verhärtet. »… ist unerhört.«
»Ja«, murmelte sie. Es war schwierig, eine magische Verbindung zu jemandem herzustellen, wenn man keinen Gegenstand mit seiner persönlichen Wesensessenz zur Verfügung hatte; nicht zuletzt deshalb war sie sehr darauf bedacht, auf Reisen keine persönlichen Dinge zurückzulassen. Aber mit einem solchen Anker sollte es ohne Weiteres machbar sein. Ein Flüchtling mochte seinen Weg so tarnen, dass die Spur nicht deutlich zu lesen war, er konnte sie auch durch fremde Elemente so verschleiern, dass ein Magister sie missdeutete, aber irgendeine Verbindung wäre vorhanden. Alle Zauberei der Welt könnte eine solche Fährte nicht vollends auslöschen.
Wie war das möglich?
Das Rätsel zog den innersten Kern ihrer Macht in Zweifel, und sie hätte Colivar nur zu gerne weitere Fragen gestellt. Aber solange sie nicht eingestehen wollte, wer sie war, solange sie nicht in aller Offenheit ihren Platz unter den Magistern einfordern wollte, verbot sich ein aufrichtiger Gedankenaustausch von selbst.
Du weißt nicht einmal, ob irgendetwas davon wahr ist , warnte sie sich. Vielleicht prüft er dich immer noch.
»Und welche Rolle könnte ich Eurer Meinung nach dabei spielen?«, fragte sie.
»Ich glaube, du könntest imstande sein, sie zu finden.«
»Obwohl alle Magister gescheitert sind?«
»Ja.«
Sie erkannte den Köder, konnte aber nicht widerstehen. »Warum?«
»Weil du eine Frau bist.«
Sie holte scharf Luft. »Wenn Ihr die Kräfte einer Frau braucht, gibt es tausend Hexen, die Ihr um Hilfe bitten könntet. Dazu braucht Ihr nicht mich.«
»Richtig«, murmelte er und nickte. »Es gibt tatsächlich viele Hexen auf der Welt.«
Er betrachtete schweigend den dunkelroten Wein in seinem Glas. »Eine Ikati-Königin kann sich vor den Männchen ihrer Art verbergen«, sagte er endlich. »Die gleiche Fähigkeit setzt sie ein, um ihr Nest zu schützen, deshalb ist es für die Morati so schwer, ihre Eier zu finden. Eine Eigenschaft, die überlebenswichtig ist. Ein männlicher Seelenfresser wird jedes Nest mit den Nachkommen seiner
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