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Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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geschluckt, der aus dem Nirgendwo herbeiwehte. Er schnappte sich ihre Stimme aus der Luft, als von einem Schritt zum nächsten ihre Füße den Kontakt zum Boden verloren.

ZWEITES KAPITEL

    A ls Cassandra wieder sehen konnte, befand sie sich abermals im Geheimen Canyon. Sie war triefnass, und ihr Kopf pochte vor Schmerz. Es waren so bösartige Kopfschmerzen, dass sie nicht mehr geradeaus sehen konnte. Mit den Händen an den Hüften stand sie vornübergebeugt, schluckte Luft und bekämpfte ein flaues Gefühl von Übelkeit.
    Freitag ragte über sie und runzelte die Stirn.
    »Was?«, fragte sie herausfordernd. »Du hättest mich warnen können, dass dies passieren würde.«
    »Du bist schwach«, erwiderte Freitag und blickte zum Himmel. Die aufgewühlten schwarzen Wolken lösten sich bereits auf, während der Sturm in die Ferne davonjagte.
    »Und du bist sowohl dickköpfig als auch arrogant«, entgegnete sie und wischte sich mit beiden Händen ihr Gesicht ab.
    »Wir werden jetzt zur Ausgrabung zurückkehren.« Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu und begann in Richtung Grabungsstätte zu gehen. Als sie ihm nicht folgte, hielt er an und schaute zurück.
    »Ich werde keinen einzigen Schritt gehen, bevor ich nicht ein paar Antworten bekomme, Mister.«
    »Okay«, schnaubte er. »Du kannst hierbleiben.«
    Er marschierte wieder los.
    Cass sah zu, wie er davonging, und erkannte an der entschlossenen Haltung seiner Schultern, dass er sich kein zweites Mal umdrehen würde. Sie hastete der schlaksigen Gestalt hinterher. »Hör zu«, sagte sie, während sie zu ihm aufschloss und seinen Schrittrhythmus aufgriff. »Ich möchte eine Erklärung. So viel schuldest du mir zumindest.«
    »Du bist mir einfach gefolgt.« Er blickte sie nicht an, sondern marschierte weiter. »Ich schulde dir überhaupt nichts.«
    »Der Ort, wo wir gerade waren – wo war das? Wie sind wir dorthin gekommen? Hatte es irgendetwas mit dem Sturm zu tun?«
    »Du stellst eine Menge Fragen.«
    »Mir ist niemals etwas Vergleichbares wie das passiert.«
    »Es wird nicht wieder passieren.«
    »Hey!«, rief sie. »Ich will wissen, was los ist. Ich habe vor, der Sache auf den Grund zu gehen.«
    »Willst du nicht.«
    »Wetten, dass«, entgegnete sie in scharfem Tonfall.
    »Du weißt nicht, wonach du fragst.«
    »Dann sag es mir. Erklär es einfach, sodass ich es verstehe.«
    »Die Leute werden glauben, du wärst verrückt.«
    »Na und?«
    Freitag wandte ihr sein breites, wettergegerbtes Gesicht zu. Lächelnd fragte er: »Dir macht es nichts aus, wenn die Leute dich für verrückt halten?«
    »Sehe ich wie jemand aus, der sich darum kümmert?«, erwiderte sie. »Gib’s auf. Was ist vorhin dort hinten passiert?«
    »Ich habe es dir schon gesagt.«
    »Du hast gesagt, es wäre … was? Zeh-gieh-hie?«
    »Tsegihi« , bestätigte er. »Das ist richtig.«
    »Was bedeutet das?«
    »Auf Deutsch?«
    »Wenn möglich.«
    Freitag nickte gedankenverloren. »Du würdest sagen, es ist die Geisterwelt.«
    »Das war keine Geisterwelt. Das war real.«
    »Ich hab ja gesagt, du würdest es nicht glauben.« Er ging wieder weiter.
    »Okay, es tut mir leid.« Cass eilte hinter ihm her. »Fahr bitte fort. Wie sind wir dorthin gekommen?«
    »Ich habe es dir schon gesagt.«
    »Ich weiß, ich weiß: die Coyote-Brücke auf der Geisterstraße.«
    Freitag erwiderte darauf nichts.
    »Aber das ist bloß ein … Wie nennst du das doch gleich noch mal – ein Mythos oder eine Metapher oder etwas dergleichen?«
    »Wenn du es so sagst.«
    »Nein, erklär es mir. Ich möchte es wissen. Was ist die Geisterstraße?«
    »Es ist der Weg, den das Medizinvolk benutzt, um die Überquerung von dieser Welt zur Geisterwelt vorzunehmen.«
    »Du meinst dies wortwörtlich – eine leibhaftige Überquerung?«
    »Richtig.«
    »Das ist unmöglich.«
    »Wenn du es so sagst.«
    Sie hatten beinahe die Mündung des Canyons erreicht. Dahinter konnte Cass die Wüste mit Riesenkakteen und Mesquitesträuchern sehen, die lange Schatten warfen. Demnach ging der Nachmittag nun in den Abend über.
    »In meinem Volk gibt es Leute, die in die Geisterwelt reisen, um heilige Pflichten zu verrichten.« Er hielt kurz inne und fügte dann hinzu: »Ich bin keiner von ihnen.«
    »Und was bist du dann? Ein Tourist?«
    Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. »Kann schon sein.«
    »Ein Tourist«, brummte sie missbilligend. »Ich glaube dir nicht.«
    »Das liegt bei dir.«
    »Okay, tut mir leid. Du bist also ein Tourist in der

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