Shakespeare erzählt
Macbeth
Es war einmal ein König, der hieß Duncan. Er wurde der Friedfertige genannt. Da wußten die Leute, daß er nicht friedfertig war. Er führte Krieg und verhandelte nicht mit seinen Feinden. Ein Feind bleibt immer ein Feind – das war seine Devise. Die Kriege waren kurz und verheerend. Bald hatte er alle seine Feinde besiegt. Sieg hieß Vernichtung. Nun war es nicht mehr nötig, Krieg zu führen. Viele Jahre herrschte Frieden, und Duncan wurde der Friedfertige genannt. Die Leute sagten: Friede ist, wenn kein Krieg ist. Aber sie fürchteten den Friedfertigen, sie liebten ihn nicht.
Daß die Siege vollkommen waren, verdankte König Duncan vor allem zwei seiner Generäle: General Banquo und General Macbeth. Diese beiden wußten die Heere zu führen, und sie wußten, daß man mit Feinden nicht verhandelt. Sie wußten, daß der Friede nicht aus Diplomatie, sondern aus Vernichtung erwächst.
Über Macbeth hieß es, er sei der Bessere von beiden, weil der Konsequentere, und das hieß: der brutalere Krieger. Die Soldaten bewunderten Macbeth. Angst schien er nicht zu kennen. Den Tod schien er nicht zu fürchten. Wenn die Schlacht um ihn herum tobte, hielt er sein Pferd an und richtete sich auf. Die Majestät des Todes verneige sich vor ihm, hieß es. Macbeth scheute keine Konfrontation. Stirn gegen Stirn mit dem Feind – und am Ende des Tobens war er der einzige, dem keine Wunde geschlagen worden war. Ruhe, Gelassenheit, Voraussicht, Kälte in der Analyse – als gelänge ihm das Unmögliche, nämlich die Gegenwart in Vergangenheit zu verwandeln, die er gleichsam im Rückblick betrachtete: Aus der Vergangenheit droht keine Gefahr, aus der Vergangenheit ragt kein Schwert herüber.
Macbeth war ein Schweiger. Er sprach nicht viel mit seinen Leuten. Die meisten seiner Sätze hatten am Ende ein Ausrufezeichen. Einmal aber habe er General Banquo die Prinzipien seines Handelns erläutert.
»Was ist Handeln?« fragte Macbeth seinen Mitstreiter.
»Handeln«, gab Banquo zur Antwort, »handeln heißt, eine Strecke Zeit nach deinem Willen gestalten.«
»Ich weiß«, sagte Macbeth, »das denken alle. Und dann sind sie enttäuscht und versagen. Nicht der Weg soll dich interessieren, sondern nur das Ziel. Was ist das Ziel, das ich erreichen will? Ausschließlich diese Frage ist für mich von Bedeutung. Das Ziel sucht sich den Weg von allein. Du mußt Vertrauen zu deinem Ziel haben. Du mußt dich darauf verlassen, daß der Weg der einzig richtige sein wird, weil ihn das Ziel selbst für dich ausgewählt hat. Du wirst dem Ziel untreu, wenn du dich um den Weg kümmerst. Hast du das Ziel erreicht, wirst du sagen: Ich bin den einzigen Weg gegangen, der zu diesem Ziel führte.«
Banquo und Macbeth waren nicht Freunde. Macbeth hatte keine Freunde. Aber Banquo war der einzige Mensch, mit dem er manchmal ein paar Worte über das Notwendige hinaus wechselte.
Der General war verheiratet. Und er war glücklich verheiratet. O ja, darüber wurde viel spekuliert. Die Offiziere sprachen darüber hinter vorgehaltener Hand, die Soldaten redeten drüber. Die Soldaten rissen über alles ihre Witze, über die Ehe von General Macbeth aber sprachen sie voll Respekt. Aber aus dem Staunen kamen sie nicht heraus. Der hat eine Frau? Der liebt? Der weiß, was Liebe ist? Der ist glücklich? Der weiß, was Glück ist? Der? Das konnten sie sich nicht vorstellen. Aber es hieß, die Liebe und das Glück seien so mächtig zwischen den beiden, daß sie niemanden sonst in ihrem Leben brauchten. Lady Macbeth und ihr Gemahl genügten einander. Das war schön. Es war schön, solche Worte auszusprechen. Und am Ende staunten die Soldaten, wie sie von Anfang an gestaunt hatten: Wie konnten in diesem kältesten aller Herzen Zärtlichkeit und Hingabe gedeihen und überleben?
Die Geschichte beginnt im Krieg, genauer: mit dem Ende eines Krieges. König Duncan, der Friedfertige, hat sein Heer gegen Aufständische geschickt. Wir wissen nicht, wogegen sich der Aufstand gerichtet hatte. Wir können es uns denken, wahrscheinlich gegen das, was Duncan Frieden nannte. Der Aufstand wurde rasch niedergeschlagen: Banquo und Macbeth hatten die Operation durchgeführt.
Es wird dem König berichtet, wie tapfer und effektiv Macbeth gekämpft habe. Er habe den Feinden die Bäuche aufgeschlitzt, vom Nabel bis zum Hals, heißt es. Das mag König Duncan nicht so gern hören, er wollte solche Szenen auch nicht sehen. Ihn interessiert nur das Ziel. »Den Weg sollen gehen, die ich
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