Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
Vom Netzwerk:
Canyon war, wo Sand, Sturm und Regen auf mich einprasselten, und in der nächsten … Dad, ich stand auf einer Ebene, und die obere Bodenschicht war eine Ablagerung aus vulkanischer Schlacke. Es gab keinen Canyon mehr, keine Kakteen, rein nichts – nur Linien, die sich in entgegensetzten Richtungen bis zum Horizont erstreckten.«
    »Definiere ›Linien‹«, forderte ihr Vater sie nach einem Moment auf.
    »Linien … Du weißt schon. Als ob jemand eine Schneeschippe genommen und in der Schlacke auf der Ebene eine flache Mulde ausgeschaufelt hätte. Jedoch nicht willkürlich oder planlos: Diese Linien waren vollkommen gerade, und sie erstreckten sich meilenweit.«
    Erneut trat Schweigen ein. Schließlich fragte ihr Vater: »War es heute heiß? Ich meine, heißer als gewöhnlich? Hast du da draußen genug Wasser getrunken?«
    »Dad«, entgegnete Cassandra, in deren Tonfall eine gewisse Verbitterung mitschwang, »ich bin ein erfahrener Profi – ich habe keinen Sonnenstich bekommen. Okay? Du glaubst, ich hätte halluziniert?« Ihre Stimme wurde lauter. »Es war keine Halluzination oder Lebensmittelvergiftung oder Malaria. Ich habe auch nicht meine Periode. Es ist real gewesen. Es ist wirklich geschehen.«
    »Ich habe kein Urteil über dich gefällt, Cass«, protestierte er. »Ich bin auf deiner Seite. Doch wir müssen jede Möglichkeit untersuchen. Und bestimmte Erklärungsansätze ausschließen.«
    »Du hast recht«, sagte sie seufzend. »Es tut mir leid. Es ist nur – je mehr ich darüber nachdenke, desto verunsicherter werde ich. Zu dem Zeitpunkt, als ich es erlebte, war es schon eigenartig genug, aber jetzt …«
    »Du hast erzählt, dass Freitag bei dir gewesen ist. Du bist ihm gefolgt und hast ihn in dieser anderen Dimension getroffen. Was ist dann passiert?«
    »Er hat gesagt, dass ich nicht dort sein sollte. Anschließend hat er mich zurückgebracht.«
    »Wie hat er das gemacht?«
    Sie antwortete nicht sofort, sondern dachte kurz darüber nach. »Er drehte mich um, und wir begannen zu gehen … Wind kam auf … Staub blies mir in die Augen, und alles wurde ein bisschen verschwommen … Ich spürte im Gesicht, dass der Wind nun heftig blies … und dann fing der Regen an. Als ich wieder hochschaute, waren wir im Canyon zurück.«
    »Derselbe Canyon wie zuvor?«, fragte ihr Vater.
    »Ja, es war derselbe. Man nennt ihn den Geheimen Canyon.« Sie hielt inne. »Das ist alles. Genau das ist passiert.«
    »Irgendwelche körperlichen Symptome? Oder irgendetwas anderes?«
    »Ich wurde ein wenig seekrank: Mir war übel und schwindlig, und ich hatte schreckliche Kopfschmerzen. All das ging sehr schnell vorbei. Sonst geschah nichts – abgesehen davon, dass ich vom Wind durchgepustet wurde und der Regen auf mich prasselte.«
    »War Freitag auch da?«
    »Ja«, bekräftigte Cass. »Wie ich schon sagte, er brachte mich zurück. »Ich versuchte, ihn dazu zu bringen, mir zu erklären, was geschehen war, doch er schwieg sich darüber aus. Er sagte immer wieder, es sei nicht für mich bestimmt. Ich habe das so verstanden, dass er damit das weiße Volk im Allgemeinen meinte, nicht bloß mich im Speziellen. Und er benutzte Ausdrücke der amerikanischen Ureinwohner, um bestimmte Objekte zu bezeichnen. Er sprach von der Geisterstraße und der Coyote-Brücke und Ähnlichem. Außerdem sagte er, wir hätten die Geisterwelt besucht.«
    »Klingt ungewöhnlich.«
    »Du glaubst mir doch – nicht wahr, Dad?«
    »Natürlich glaube ich dir, Cass«, antwortete er; seine Stimme drückt Zutrauen und Zuspruch aus. »Darüber hinaus denke ich, dass die Sache es wert ist, umfangreichere Untersuchungen vorzunehmen. Ich glaube, es ist besser, wenn ich einmal da draußen nachschauen würde.«
    »Dad, du brauchst wirklich nicht …«
    »Wir müssen es prüfen und dokumentieren. Ich werde ein paar Instrumente mitbringen.« Er hielt inne. »Ich wünschte, deine Mutter wäre hier. Sie würde es so richtig auskosten.«
    Cass konnte hören, wie er nachdachte.
    »Kannst du diesen Ort wiederfinden?«
    »Sicher, kein Problem. Aber, hör mal zu, ich habe gedacht, dass …«
    »Gut. Unternimm nichts, bis ich dort bin. Nicht das Geringste. Morgen Nachmittag werde ich einen Flieger dorthin nehmen. Kannst du mir da, wo du gerade wohnst, ein Zimmer besorgen?«
    »Ja, aber … Dad, ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist …«
    »Dann ist es abgemacht. Ich seh’ dich bald, mein Schatz. Also, sprich mit niemandem darüber. Okay? Das hast du doch noch

Weitere Kostenlose Bücher