Die Seelenzauberin
geschehen ist, Mutter. Du stammst doch aus den Nordlanden. Sag du mir, worum es eigentlich geht.« Er schüttelte grimmig den Kopf. »Ich könnte verstehen, wenn ein Heer gegen das Großkönigreich zöge, aber so ein Überfall …« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann darin keinen Sinn erkennen.«
»Ich komme nicht aus Skandir.«
»Nein, aber du kommst aus einem Protektorat, richtig? Und alle Protektorate haben sich verpflichtet, einen großen Auftrag zu erfüllen, der für nichts anderes Raum lässt. Hast du mich das nicht gelehrt, Mutter? Wie lautete denn dieser Auftrag gleich noch? Haltet euch bereit für die Zeit, wenn die Seelenfresser zurückkehren! Nichts anderes darf Vorrang haben vor diesem Kampf! « Er deutete zornig auf das Durcheinander auf dem Boden. »Nun, die Seelenfresser sind zurückgekehrt. Und was tun Skandirs Krieger? Sie schlachten an meiner Grenze Menschen ab. Ich möchte verstehen, warum sie das tun.«
»Vielleicht waren es gar keine Skandir.«
»O doch. Mein Hexer hat die Gegenstände mittels seiner Kräfte geprüft und ihre Herkunft bestätigt. Oder genügt dir das nicht?«, fragte er aufgebracht. »Sollte ich einen anderen zurate ziehen? Oder meine Seele an einen Magister verkaufen, um eine bessere Antwort zu bekommen?«
Gwynofar antwortete nicht. Das Thema Magister würde wahrscheinlich aus anderen Gründen Wut und Enttäuschung hervorrufen, und genau das konnten sie im Moment nicht gebrauchen.
Tun die Skandir solche Dinge, weil Danton nicht mehr ist? , fragte sie sich. Bezweifeln sie, dass Salvator fähig ist, dieses Reich zu führen, und wollen nun herausfinden, wie gut er seine Grenze im Griff hat? Oder stecken andere finstere Motive hinter der Tat?
»Früher gab es tatsächlich einmal Räuber, die vom Meer aus zuschlugen.« Salvators Stimme klang fester, aber sie spürte, wie viel Anstrengung ihn das kostete. »Sie waren die Einzigen, die zur großen Entscheidungsschlacht mit Schiffen und nicht auf dem Landweg anreisten. Nachdem der Heilige Zorn entstanden war und der Sieg erklärt wurde, machten sie Alkal noch längere Zeit die Herrschaft über die Küstenregionen streitig.«
»Das ist alte Geschichte«, gab sie zurück. »Die Grenzen sind seit Jahrhunderten sicher.«
»Und das hier war auf die Segel der Schiffe gemalt, die Yosefa sah.« Er reichte ihr ein kleines Stück Papier, das er zerknüllt in seiner Hand gehalten hatte. Billiges Papier, auf das eine seltsame Figur gezeichnet war. Sie hatte den Leib einer Schlange und den Kopf einer Echse, und der Körper war zu einer komplizierten Achterschlinge nach hinten gebogen. »Weißt du, was das ist, Mutter?«
Ihr blieb fast das Herz stehen. »Mordi?«
»Die Schlange der Hochsee. Der Kriegsgott der ersten Skandir. Inzwischen ist sie mit all den anderen Göttern im Pantheon des Nordens aufgegangen. Wie hungrig sie sein muss nach so vielen Jahrhunderten ohne Menschenopfer.«
Sie sah ihn missbilligend an. »Ich finde diese Schlussfolgerung mehr als gewagt, Salvator.«
»Wirklich?« Er bückte sich und hob einen der Gegenstände vom Boden auf: ein breites Messingarmband, in das verschiedene Muster eingeritzt waren. »Diese Yosefa sagte mir, als die Räuber abzogen, hätten sie eine Reihe von Gefangenen mitgenommen. Ausschließlich Kinder.«
Sie schloss die Augen und flüsterte unwillkürlich ein Gebet an ihre Götter. So etwas vermied sie gewöhnlich in Salvators Gegenwart, aber bei dieser Nachricht konnte sie nicht anders.
»Mordis Anhänger pflegten ihm vor jeder Schlacht Kinder zu opfern«, sagte Salvator. »Sie glaubten, wenn sie seinen Blutdurst stillten, bevor sie auf den Feind trafen, würde er nicht nach ihrem Blut dürsten nachdem die Schlacht im Gang war. Und plötzlich erscheinen in meinem Reich drei Schiffe mit dem Zeichen der Seeschlange auf ihren Segeln und plündern nicht nur, sondern entführen auch Kinder.«
»Solche Bräuche gab es vor Tausenden von Jahren«, hielt sie ihm entgegen. Wen wollte sie eigentlich überzeugen – sich selbst oder ihn? »Mordi ist ein Gott aus den Finsteren Zeiten, von dem man sich längst abgewandt hat.«
»Oder auch nicht, Mutter. Die Seelenfresser kehren zurück, nicht wahr? Vielleicht kommen auch die anderen Götter wieder, und sie sind nicht so freundlich, wie euer Volk gerne glauben möchte. Sie werden sich nicht damit zufriedengeben, dass man ein paar Tropfen Blut auf Bäume träufelt. Schon gar nicht, wenn sie in einem Krieg ihren Durst mit ganzen Strömen von Blut
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