Die Seelenzauberin
Salvator nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht.«
»Aber genau darum geht es.« Die schmalen Hände in ihrem Schoß bewegten sich unruhig. »Ich weiß nicht … ich meine, was für eine …« Sie schaute flehentlich zu Siderea auf. Was für große, dunkle Augen, und wie sie glänzten! Ein wenig Kajal auf die Lider, und die Höflinge würden sich in ihren Gedichten förmlich überschlagen!
Siderea nahm eine von Petranas Händen in die ihre. »Ich verstehe«, sagte sie leise. »Und es war richtig, zu mir zu kommen. Schließlich habe ich ein persönliches Interesse daran, dass eine Tochter der Freien Lande Salvators Hand erringt.«
»Man sagt, niemand kenne die Männer besser als Ihr. Kein Mann, auf den Ihr ein Auge geworfen hättet, könnte Euch widerstehen.«
»Und diese Kunst soll ich Euch nun lehren?«, fragte sie. »In wenigen Stunden?«
Petrana errötete. »Das würde ich niemals verlangen. Was denkt Ihr von mir?«
Immerhin, die Vorstellung war verlockend. Siderea selbst konnte sich in den Reigen der Bewerberinnen nicht einreihen, da sie das gebärfähige Alter längst hinter sich hatte, aber es könnte sehr vergnüglich sein, eine Figur in diesem Spiel zu haben. Natürlich müsste Petrana dafür erst in Form gebracht werden, aber das sollte nicht allzu schwierig sein.
»Ich bin nicht abgeneigt, Euch meine Kunst zu lehren«, sagte sie und strich dem Mädchen eine Locke aus der Stirn, die sich gelöst hatte. »Aber dazu brauchen wir mehr Ruhe, als wir hier finden können. Warum besucht Ihr mich nach unserer Rückkehr nicht zu Hause? Damit wir uns dieser Aufgabe ausgiebig und ohne Zeitdruck widmen können?«
»Es – es wäre mir eine Ehre, Majestät. Ich danke Euch.«
»Doch zunächst müssen wir sicherstellen, dass Salvator aus dieser Woche den gewünschten Eindruck von Euch mitnimmt …« Sie legte nachdenklich die Fingerspitzen aneinander. »Er ist schließlich auch nur ein Mann. Er mag Mönch gewesen sein und er mag König werden, aber er ist und bleibt ein Mann. Das wird allzu oft vergessen.«
»Er hält sein Keuschheitsgelübde seit vier Jahren«, sagte Petrana. »Mein Vater meint, das sei das Wichtigste.«
Siderea lachte. »Ja, es ist wichtig, aber kaum jemand weiß, wie man daraus Nutzen zieht.« Sie beugte sich vor und sah das Mädchen fest an. »Soll ich Euch sagen, welche Fehler Eure Rivalinnen machen werden? Sie werden alle davon ausgehen, dass Salvator durch seine Enthaltsamkeit bestimmt wird. Sie meinen, er sei nach vier Jahren ohne Frau für alle Verlockungen so empfänglich, dass er alles andere vergessen wird. Manche werden ihre freizügigsten Kleider anlegen, viel gewagter, als sie es gewohnt sind, weil sie hoffen, die jäh aufwallende Lust würde ihn so blind machen, dass nichts anderes mehr für ihn zählt. Dabei übersehen sie, dass er ein Aurelius ist, erzogen von einem mächtigen Monarchen, und dass er die Politik schon mit der Muttermilch aufgenommen hat. Er wird nach einer Frau suchen, die würdig ist, den Thron mit ihm zu teilen, und nur in diesem Rahmen wird die sinnliche Begierde, soweit überhaupt vorhanden, eine Rolle spielen. Eine Frau, die ihn allzu schamlos zu verführen sucht, die zu weit geht, um seine Sinne zu reizen, mag er als Konkubine anziehend finden, die Krone des Großkönigtums wird er ihr aber niemals aufs Haupt setzen.
Einige werden ins andere Extrem verfallen und darauf setzen, dass Salvator aufgrund seiner Vergangenheit alle Freuden des Fleisches in tiefster Seele zuwider sind. Doch so kann nur denken, wer seinen Glauben nicht kennt. Die Büßer nehmen keinen Anstoß an natürlichen Trieben. Wenn ihre Mönche sich kasteien, dann tun sie das, um mit diesem persönlichen Opfer einen Ausgleich für die sündhaften Ausschweifungen der Ungläubigen zu schaffen. Sobald Salvator seine Kutte ablegt, übernimmt er eine andere Rolle. Ein Großkönig will im Schlafgemach auf keinen Fall wie ein Mönch behandelt werden. Dennoch werden einige Bewerberinnen höchst hausbackene Kleider anziehen und alle Vorzüge verbergen, die einen Mann interessieren könnten, um dieser Seite seines Wesens zu schmeicheln. Aber ihre Namen werden vergessen sein, bevor die Sonne untergeht, das versichere ich Euch.« Sie hob eine Falte von Petranas Rock an und fragte: »Das Kleid hat wohl Euer Vater für Euch ausgesucht?«
Petrana nickte.
Siderea seufzte. »Überlasst die Wahl Eurer Kleidung niemals einem Mann, meine Liebe. Es sei denn, Ihr wolltet ihn damit verführen. Männer
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