Hexenwahn
In den Augen des Mannes leuchtete ein fanatischer Glanz, als er langsam an den Schrank herantrat und seine Arme ausstreckte. Die Finger waren dabei gespreizt, und die Spitzen zitterten leicht, denn die Erregung des Mannes übertrug sich auf seinen gesamten Körper und ließ keine Stelle aus.
Endlich hatte er es geschafft. Er hatte lange geforscht und immer wieder Enttäuschungen einstecken müssen. Nun gab es kein Zurück mehr. Er hatte das Ziel seiner Wünsche erreicht. Seine Hände strichen über das dunkle Holz. Es war fast schwarz, und der Mann roch noch die scharfe Beize. Die Oberfläche des Schranks, der etwa in Kopfhöhe an der Wand hing, glänzte matt. Oberhalb der kleinen zweiflügeligen Tür war jedoch ein Name zu lesen. Man hatte jeden Buchstaben in das Holz eingeritzt, und die Furchen waren mit dem Blut eines Menschen ausgemalt worden.
DEVIL
Nur dieses eine Wort stand dort. Devil hieß Teufel, und nichts anderes hatte der Besucher gewollt. Er brauchte den Teufel, so wie er ihn schon immer gebraucht hatte, denn erst durch den Satan war er zu Macht und Einfluß gelangt.
Noch fehlte etwas, damit er die Hochzeit vollziehen konnte. Deshalb hatte er sich auch so bemüht, um den geheimnisvollen Schrank zu finden. Nun stand er davor.
Die Türen waren glatt und verschlossen. Einen Schlüssel, um sie zu öffnen, besaß der Mann nicht. Doch da gab es eine alte Überlieferung, die besagte, daß sich die Tür öffnen würde, wenn ein schwarzmagisch Geweihter sein Blut für diesen Schrank spendete. Blut wollte der Mann gern geben. Wenn es sein mußte, alles. Denn er glaubte fest daran, daß er nicht sterben würde. Satan ließ keinen Diener im Stich.
Soviel Blut wurde überhaupt nicht benötigt. Es reichten bereits ein paar Tropfen. Der Mann griff in die Tasche und holte ein kleines Messer hervor. Für einen Moment blitzte die Klinge auf, als der Mann sie etwas hastig bewegte. Er zuckte nicht einmal zusammen und schaute nur auf seinen linken Zeigefinger, der von dem kleinen Messer getroffen worden war. Blut quoll aus der Wunde.
Menschenblut… Blut für den Teufel!
Der Mann hob seinen linken Arm an und hielt ihn so hoch, daß das Blut nicht nur aus der kleinen Wunde, sondern auch auf den oberen Teil des Schrankes tropfen konnte. Der erste Tropfen fiel. Er berührte das dunkle, matt glänzende Holz, und der Mann beobachtete mit Spannung, was geschah. Würde der Schrein das Opfer annehmen?
Es zischte. Plötzlich wölkte Dampf auf, und in den Dampf hinein fiel der zweite Tropfen. Wieder ein Zischen. Geruch von Schwefel und Verbranntem traf die Nase des Mannes. Dann löste sich der dritte Blutstropfen vom Finger.
Sieben mußten es sein.
Sieben Blutstropfen für den Teufel!
Und er bekam sie, während der Spender seine Hand hochhielt und mit zitternden Lippen mitzählte. Der sechste - der siebte! Es war geschehen.
Hastig zog der Mann seine Hand zurück. Er schüttelte sie. Weitere Tropfen fielen aus der Wunde und zeichneten auf dem Boden ein rotes Muster.
Er hatte gespendet. Wenn der Satan seine Spende annahm, dann mußte jetzt etwas geschehen. Die Türen sollten sich öffnen, um ihm zu zeigen, wie…
Die Gedankenkette des Mannes riß. Vom Oberteil des Schrankes lösten sich beißende Nebelschwaden, die den Schrank selbst von allen Seiten wie ein Tuch einhüllten. Sie bildeten einen regelrechten Kreis, der in der Luft stehenblieb und sich nicht weiter ausbreitete, so daß er an einen schützenden Ring erinnerte. Noch blieb alles still. Es zitterte keine Tür.
Der Mann hörte nicht das geringste Geräusch, das auf einen Erfolg hinweisen könnte. Hatte er sich verrechnet? War alles falsch gewesen?
Waren seine Forschungen, sein langes Suchen, war dies alles umsonst?
Nein, das durfte nicht sein, die Hexenhochzeit mußte stattfinden.
Niemand durfte sie stören, denn die Gegner waren zu stark geworden.
Mit sicherem Instinkt hatten sie die Hexen aufgespürt, und sie wollten sie verbrennen.
Das Mittelalter kehrte zurück…
Noch waren die Hexen nicht stark genug, aber Satan sollte ihnen die Stärke geben. Die konnte er nur dann wirklich geben, wenn sich die Tür öffnete. Sie tat es!
Es begann mit einem leisen Knarren. Es war normalerweise kaum zu hören, der Mann vernahm es dennoch. Seine Blicke hingen gebannt an den beiden Türen, die so zitterten, als würde jemand an dem Schrank rütteln. Dann schwangen sie auf. Zuerst die von dem Blutspender aus gesehen rechte Tür. Als würden von innen Hände dagegen
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