Die Seemannsbraut
»Ich glaube, wir haben die
Mouette
gefunden.« Das weitere behielt er für sich; daß er nämlich hoffte, Sinclair wäre ebenso schnell im Kampf wie mit der Peitsche. Der Lärm beim Niederlegen der Zwischenwände, beim Verlagern von Vorräten und persönlichem Eigentum in den tieferen Rumpf halfen, den gelegentlichen Donner in der Ferne zu dämpfen.
Leutnant Meheux berührte grüßend seinen Hut. »Schiff ist klar zum Gefecht, Sir.«
Dunstan nickte und dachte wieder an Bolitho. »Zehn Minuten diesmal, sie halten sich ziemlich ran.«
Aber seine gute Laune verflog, und er lächelte nur noch knapp.
»Gut gemacht, Josh.«
Die Segel blähten sich hörbar wie Riesen, die aus voller Brust atmeten. Das Deck legte sich schräg, aber Dunstan ordnete an: »Bringt sie noch einen Strich höher an den Wind, steuert Nordnordwest!«
Meheux schnallte sein Koppel um. »Die Leute fühlen, was in der Luft liegt.«
Er sah die geduckten Geschützbedienungen, die Schiffsjungen mit ihren Eimern voll Sand, die anderen an den Brassen oder in die Webleinen greifend, bereit nach oben zu spurten, wenn zum Setzen weiterer Segel gepfiffen wurde.
Dunstan entschloß sich. »Laden, wenn’s beliebt, ich …« Plötzlich erhob sich ein großes Geschrei vieler Stimmen, als der Dunst in einer gewaltigen Detonation emporwirbelte. Jeder Stückführer hob die Faust. »Alle geladen, Sir!«
Als der Dunst an Dichte verlor, richteten sich aller Augen nach vorn. Ein Feuerball detonierte dort, der Knall rollte auf sie zu und versiegte schließlich im Flattern der Segel und im Strömen des Wassers an der Bordwand.
»Schiff an Steuerbord, Sir!«
Dunstan griff zum Glas. »Enter auf, Josh. Ich brauche deine scharfen Augen dort oben.«
Als der Erste Leutnant die Wanten des Großmastes erkletterte, kam von der Back ein Warnruf: »Wrackteile voraus!«
Der Meistergehilfe der Wache warf sein ganzes Gewicht ins Rad, um mit den beiden Rudergängern das Steuer herumzureißen. Dunstan fiel ihnen in den Arm. »Halt, laßt laufen!«
Er begab sich zur Bordwand und sah etwas wie einen riesigen Stoßzahn drohend vor dem Bug auftauchen. Es war immer das Beste, so etwas von vorne zu nehmen, dachte er entschlossen.
Phaedra
hatte nicht die dicke Außenhaut eines Linienschiffes, nicht einmal die einer Fregatte. Die hohe, schwankende Spiere konnte den Rumpf wie eine Ramme durchstoßen.
Ein gebrochener Mast trieb seitlich vorbei, zerrissene Wanten und geschwärzte Leinwand wie faules Unkraut hinter sich herziehend. Leichen ebenfalls, in der Takelage verfangene Männer, deren Gesichter durch das klare Wasser emporstarrten, umgeben von rosa Blut.
Ein Bootsmannsgehilfe unterdrückte ein Schluchzen, als er auf einen der wie Korken dümpelnden Toten hinunterschaute. Der trug die gleiche blaue Jacke mit den weißen Biesen wie er selbst. Es bestand kein Zweifel mehr, wer in dem Kampf der Unterlegene gewesen war.
Als der Wind übers Wasser strich, bekamen die kleinen Wellen hier und da Schaumköpfe. Dunstan sah die Nebelschwaden abziehen, die See wurde wieder blank. Er verhielt, als weitere Rufe von vorne kamen. Sie galten einem langen dunklen Etwas, das kaum aus dem Wasser ragte, mit viel Seegras daran. Umgeben war es von großen Blasen, von Treibgut und verkohlten Überbleibseln. Es war ein Schiffskiel, das Rückgrat eines Fahrzeugs, das längst zur erforderlichen Überholung hätte entlassen werden sollen.
Dunstan sagte: »Noch einen Strich höher an den Wind.«
Oben klammerte sich Leutnant Meheux neben dem Ausguck an die Saling und schaute in die Ferne. Er entdeckte die Bramstenge und die Rahen eines anderen Schiffes und aus dem Dunst hervortretende Segel, dazu einen Vorsteven und seine vergoldete Galionsfigur. In Sekundenschnelle rutschte er an einem Backstag hinunter und erreichte Dunstan.
Der hörte aufmerksam zu. »Wir beide kennen das Schiff, Josh.
Es ist unsere frühere
Consort,
jetzt ein Spanier.«
Er hob das Teleskop und betrachtete den Gegner eingehend, als mehr Segel zum Vorschein kamen und der glänzende Rumpf sich beim Wenden zu verkürzen schien. Weil er auf die
Phaedra
zukam.
Der Fähnrich winkte lebhaft mit den Armen. »Sir, dort treiben Menschen im Wasser, unsere eigenen Leute!« Er weinte fast. Dunstan schwenkte das Glas, bis er die geschundenen Gestalten im Blickfeld hatte. Einige klammerten sich an Wrackstücke, andere versuchten, Kameraden über Wasser zu halten. Um besser sehen zu können, stieg er in die Wanten und hielt sich am geteerten
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