Die Seemannsbraut
einmal seinem Vetter.
Dunstan lehnte sich zurück und fuhr sich durch das widerspenstige, rotblonde Haar. »Meine Güte, das juckt wie bei einer krätzigen Hure.« Dabei grinste er. »Ich glaube, Sir Richard will sich der Flotte Nelsons anschließen. Aber er wird alle Schuld auf sich nehmen müssen, wenn ihm die Franzosen zuvorkommen und im Hafen verschwinden.«
Mit einem Griff holte er eine Karaffe Rotwein unter dem Tisch hervor. »Auf jeden Fall besser als Wasser.« Er goß zwei große Gläser ein. »Ich wette, daß unser Vizeadmiral bald in der Tinte sitzt. Aber ein Mann, der freiwillig den Zorn der Admiralität und ihres stutzerhaften Generalinspekteurs auf sich zieht, ist wohl aus hartem Holz geschnitzt.«
»Wie war er als Kommandant?«
»Tapfer, höflich, ohne Dünkel.«
»Du mochtest ihn?«
Dunstan trank einen Schluck, die beiläufige Frage durchbrach seine Zurückhaltung. »Ich liebte den Boden, auf dem er ging. Alle in der Messe taten das. Ich würde ihm jeden Tag beistehen, ohne lange zu fragen.«
Es klopfte, ein Fähnrich in noch schmutzigerem Hemd spähte durch die Tür. »Empfehlung des Zweiten Leutnants, Sir, und er denkt, daß es bald aufklaren wird.«
Sie schauten hoch, als das Deck leise erzitterte und der Rumpf schwach murmelnd gegen den Anstoß protestierte.
»Bei Gott, es kommt Wind auf!« Dunstans Augen leuchteten.
»Ein Kompliment an den Zweiten Leutnant, Mr. Valliant, und ich komme gleich hinauf.« Er hob die Karaffe und zog eine Grimasse, denn sie war fast leer. »Dieses Schiff ist trockener als üblich, fürchte ich.« Dann wurde er wieder ernst und sachlich. »Nun hör’ zu, was ich vorhabe. Also …« Er kam nicht weiter.
Meheux starrte die Karaffe an, deren Stöpsel sekundenlang rasselte. Ihre Blicke trafen sich. Meheux sagte: »Was war’n das – Donner?«
Dunstan griff schon nach seinem schäbigen Hut. »Nein, diesmal nicht. Dies war Kanonendonner, mein Lieber!«
Er schlüpfte mit den Armen in seinen Rock und kletterte die Leiter im Niedergang hoch an Deck.
Oben standen seine Leute und gafften in die Dunstschwaden. Solch ein kleines Schiff und so viele Männer, dachte er flüchtig. Er versteifte sich, als wieder ein Dröhnen durch die Luft rollte, und fühlt e den Nachhall gegen die hölzerne Bordwand prallen. Die Gesichter wandten sich ihm zu. Sofort erinnerte er sich an Bolitho, wie sie ihn alle angestarrt hatten, Hilfe und Verständnis erwartend; denn er war ihr Kommandant.
Dunstan steckte eine Hand in seinen alten Wachmantel mit den geteerten Knöpfen. Jetzt bin ich es, jetzt sieht man mich an, dachte er.
Meheux sprach zuerst. »Sollen wir abwarten, bis wir mehr wissen?«
Er antwortete nicht direkt. »Alle Mann an Deck, und sie sollen sich achtern aufhalten.«
Pfeifentrillern holte sie herbei. Als sie sich auf beide Seiten verteilt hatten, wobei sich einige an die Besanwanten und an den umgedrehten Kutter klammerten, berührte Meheux grüßend seinen Hut. In seinen Blicken stand Neugier.
»Unterdeck ist geräumt, Sir.«
Dunstan sagte: »Gleich lassen wir klar zum Gefecht machen. Aber ohne Getue! Keinen Lärm, kein Getrommel – diesmal nicht. Ihr geht auf eure Stationen, wie ihr das gelernt habt.«
Er schaute die Umstehenden an junge Männer die Offiziere, ergraute Ältere der Bootsmann und der Zimmermann. Gesichter, die er sich derart eingeprägt hatte, daß er selbst in pechschwarzer Nacht jeden bei Namen kannte. Früher hätte er über diese Tatsache gelächelt. Denn seinem Idol Nelson wurde die gleiche Personenkenntnis nachgesagt, auch jetzt noch, nachdem er den Rang eines Flaggoffiziers erreicht hatte.
Doch jetzt lächelte er nicht.
»Hört!«
Donner grollte durch den Dunst. Ein geübtes Ohr konnte die Ursachen unterscheiden: das Feuer kämpfender Schiffe, das Tosen wütender Brandung auf einem Riff, Gewitterdonner über den Hügeln eines nahen Landes.
»Wir bleiben auf diesem Bug«, sagte Dunstan. »Eines der Schiffe da vorn muß ein Landsmann sein. Wir müssen Sir Richard Bolitho und seinem Geschwader darüber berichten.«
Eine einzelne Stimme rief hurra, und Dunstan dankte mit breitem Grinsen. »Darum haltet euch bereit, Jungs, und Gott sei mit euch allen.«
Er trat beiseite, als sie sich zerstreuten und auf ihre Stationen begaben, während der Bootsmann mit seiner Gruppe die Kettenschlingen ausbrachte und Netze für die Rahen, um den Geschützbedienungen einigen Schutz zu gewähren, falls das Schlimmste eintreten sollte.
Dunstan sagte leise:
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