Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)
den Wurzelkäfig und erhob sich als Moleküle in die Nacht, um sich von dem freundlichen Wind in den Schutz des Blätterdachs hinauftragen zu lassen.
Dunkle Wolken ballten sich am Nachthimmel zusammen, und Blitze schossen durch die trübe, schnell dahinziehende Masse. Mit einem kleinen humorlosen Lächeln hockte Traian da und rührte sich nicht von der Stelle. In manchen Situationen war Vorsicht eben wirklich der bessere Teil der Tapferkeit. Die Horde der Vampire hatte ihn verfolgt, zuerst eine Gruppe und dann eine weitere. Sie hatten ihn angegriffen und sich dann jedes Mal wieder zurückgezogen, wenn er die Oberhand im Kampf errungen hatte. Diesmal schienen sie ihm gegenüber jedoch im Vorteil zu sein, und außerdem war er bereits erschöpft. Wie eine Meute Hunde, die ihre Beute zu zermürben versucht, waren sie ihm tagelang auf den Fersen gewesen und hatten ihm auch die eine oder andere Verletzung beigebracht, nichts Schlimmes, aber doch genug, um ihn zu ermüden. Und deshalb würde er diesmal selbst das Schlachtfeld wählen.
Als Traian sich abwandte, konnte er wieder das Klicken der Fingernägel hören. Und es wurde immer lauter. Mit jedem Klicken fielen Wassertropfen aus den Wolken – winzige Tropfen, die es nicht einmal zum Boden schafften, sondern sich in der Luft ansammelten und dort einen großen glitzernden Wassertümpel bildeten. Schockiert stellte Traian fest, dass er sein eigenes Abbild in dem Wasser sehen konnte. Nicht die Moleküle oder irgendein anderes Trugbild, sondern den echten Mann zwischen dem Blattwerk. Und wenn er sich selbst sehen konnte, konnte der Feind es auch. Es war seine einzige Warnung, und sie kam nur einen Herzschlag vor dem Angriff.
Traian nahm eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr und reagierte sogleich mit einem gewaltigen Salto, bei dem er seine wahre Gestalt annahm und froh war über die Blätter, die das fast unsichtbare silbrige Netz behinderten, das dazu bestimmt gewesen war, ihn einzufangen. Speere und winzige Pfeile, deren Spitzen in das Gift des Baumfrosches getaucht worden waren, schossen durch die Luft, und es hagelte glühende Holzstückchen, die Traian in eine feurige Wolke hüllten und tief in seine Haut eindrangen, wo sie wochenlang noch brennen würden. Schmerz durchzuckte ihn, aber Traian blendete ihn aus, um sich dem Feind zu stellen. Wolken von Insekten bevölkerten den Himmel, und die ganze Zeit über setzte sich das nervige Klicken dieser Fingernägel unerbittlich fort.
Traian stürzte sich auf die schattenhafte Gestalt, die den Kampf begonnen hatte, und ignorierte die beiden unbedeutenderen Vampire. Gallent schien den Kampf zu leiten, ein Anführer des Bösen, so wie er früher auch unter den Karpatianern ein Anführer gewesen war. Der uralte, zum Vampir gewordene Karpatianer war ein Meister im Planen raffinierter Fallen, und Traian wusste, dass er mit dem Gift, das sich in seinem Organismus verbreitete, in ernsten Schwierigkeiten war. Er durfte Gallent keine Zeit zum Denken lassen. Die beiden geringeren Vampire waren nur Kanonenfutter, nicht mehr als Schachfiguren in Gallents Plan, einen karpatianischen Jäger zur Strecke zu bringen. Es war Gallent, der vernichtet werden musste.
Traian durchbrach die Wolken; dabei streckte er die Faust schon nach dem Brustkorb des Vampirs aus, um sie in die verrottende Hülle aus Knochen und Gewebe hineinzustoßen und Gallent das schwarze Herz herauszureißen.
Aber Gallent flimmerte, als wäre er durchsichtig, und Traians Faust durchstieß den Vampirkörper, ohne Schaden anzurichten, während der Untote den Angriff mit rasiermesserscharfen Krallen erwiderte. Die Hand kam von Traians Linker und mit der schnellen, sicheren Bewegung eines kampferprobten Meisters; die messerscharfen Fingernägel zerfetzten Traians Fleisch und Muskeln bis zum Knochen. Einer der geringeren Vampire warf sich auf Traians Rücken und bohrte die scharfen Zähne in den ungeschützten Nacken seines Opfers.
Nachdem Traian sich in Nebel aufgelöst hatte, stürzte er sich auf den alten, wichtigen Vampir, nahm im allerletzten Moment erst wieder Gestalt an und stieß die Faust in die Brust des Untoten. Gallent kreischte auf. Schwarzes, giftige Säure enthaltendes Blut besudelte den Jäger, lief über Traians Arm und Hand und brannte sich durch Haut und Fleisch bis auf die Knochen durch.
Gallent konterte, indem er mit seinen scharfen Krallen nach Traians Augen ausholte, um den Jäger blind zu machen. Ein brutaler Kopfstoß folgte, nach dem der Vampir
Weitere Kostenlose Bücher