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Die Sehnsucht ist größer

Die Sehnsucht ist größer

Titel: Die Sehnsucht ist größer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schwarz
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seine Freude,..., so freut sich dein Gott über dich« (Jes 62,4b.5b).
    Jean Vanier schreibt über die Statue am Portal der Kirche in Chartres, die die Erschaffung des Adam darstellt: »Adam ruht an der Brust Gottes, so wie Johannes an der Brust Jesu ruhte. Beide lächeln und sind von tiefer Freude erfüllt, als ob Gott, der Künstler, zu Adam sagen wollte >Du bist schön<, und dieser ebenfalls zu Gott sagen wollte. >Du bist schön<. Der künstlerische Mensch kann wunderschöne Statuen, Gemälde, Gedichte und Bücher herstellen. Aber keines unserer Erzeugnisse kann uns anschauen und zu uns sagen: >Ich liebe dich - du bist schön. < Und der Mensch kann Gott anschauen und zu ihm sagen: >Ich liebe dich - du bist schön.< -Der Schöpfer und sein Geschöpf können ineinander verliebt sein.«
    Ein Satz von Johannes vom Kreuz fällt mir dazu ein: Gott ist durch seine Schöpfung hindurchgegangen - und seine Schönheit ist an ihr hängengeblieben.
    Am Sonntagabend in Roncesvalles hatte mich Neville ja gefragt, warum ich den Weg gehe - er ist übrigens der einzige, der mich bisher gefragt hat - und da habe ich mich mit einer Antwort, zumal auf englisch, schwer getan. Inzwischen ist mir eingefallen, was wohl die einfachste und zugleich richtigste Antwort gewesen wäre, und das kann man so wohl auch nur auf Englisch sagen: I have new fallen in love to God - and Fm going to celebrate it (Ich bin von neuem in die Liebe zu Gott gefallen - und ich bin auf dem Weg zum Feiern). Ich weiß zwar nicht, ob der Satz grammatikalisch so genau stimmt - aber so würde ich Neville heute antworten.
    Also - auf nach Pamplona, zur Stadt der »Fiesta«!
     
    Pamplona, 17.30 Uhr
    Ob Gott wohl auch seine Freude an mir hat, wenn ich durch Pamplona humple? Nein, Schmerzen habe ich keine mehr -aber das liegt wohl eher daran, daß der Arzt das Knie mit einem Verband vollkommen ruhiggestellt hat.
    Die Straße hierher ging ja noch, aber der kleine Aufstieg in die Stadt hinein tat einfach nur weh - und mir ist klar, da muß jetzt irgendwas geschehen. Schließlich ist es nicht die Wallfahrt zur schmerzensreichen Muttergottes.
    Also - Tourist Information, da sprechen sie zum Glück englisch, und ich frage nach einem Hotel und einem Arzt. Dann treffe ich einen Schweizer aus dem Refugio in Trinidad de Arre wieder - er hat sich inzwischen auch dafür entschieden, in Pamplona zu übernachten, weil er einiges Geschäftliche von hier aus erledigen will. Er spricht fließend Spanisch, ich weiß, wo Pensionen sind, so tun wir uns zusammen und machen uns miteinander auf die Suche - und finden auch zwei Zimmer im gleichen Hotel. Für heute abend haben wir uns zum Essen verabredet - die Perspektive tut mir ganz gut.
    Und dann bin ich zum Arzt bzw. genauer zum Gesundheitszentrum. Die Verständigung gestaltete sich wieder einmal ausgesprochen interessant. Nach viel Reden mit Händen und Füßen, Auslandskrankenschein, Krankenkassenkarte und Personalausweis war ich fünf Minuten später beim Arzt, ohne Warten, ohne Voranmeldung. Der war ausgesprochen nett, sprach aber wiederum auch nur Spanisch. Aber die Frage »haben Sie da Schmerzen?« scheint sich in allen Sprachen gleich anzuhören. Immerhin, da wo er tastete, tat auch nichts weh. Ziemlich eindeutig jedenfalls war seine Aussage »nicht laufen« und in einem mehrsprachigen Patientenführer die Zeile: »Den Verband dürfen Sie nicht abnehmen!« Er brachte mich dann zu einer Krankenschwester, die wiederum auch nur Spanisch sprach - dafür aber einen kunstvollen Verband um mein Knie legte, der jegliches Anwinkeln und Beugen unmöglich machte. Ich wußte zwar immer noch nicht, was ich nun eigentlich genau hatte - vermute aber, daß es irgendwas mit den Bändern oder Sehnen zu tun hat, die genau die Aufgabe haben, das Knie zu beugen.
    Nach einer Viertelstunde bin ich wieder draußen - und alle Santiago-Pläne sind vorerst durchkreuzt. Ich setze mich auf eine Bank vor dem Gesundheitszentrum, rauche eine Zigarette und kann schließlich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Nicht mehr laufen können, nicht wissen, was überhaupt los ist und wie lange das dauern wird (ich meinte, irgendwas von einer Woche erahnt zu haben) - und klar sehen, daß mit dem Knie und der mir zur Verfügung stehenden Zeit ich auf keinen Fall die gesamte Strecke von Pamplona bis Santiago zu Fuß gehen kann... so ein Mist aber auch...
    Es dauert ein bißchen, bis ich mich halbwegs wieder gefangen habe und überlegen kann, was jetzt sinnvollerweise zu tun

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