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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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erscheinen läßt, sah es beeindruckend aus.
    Miß Trelawny kam mir im Vestibül entgegen, nicht im mindesten eingeschüchtert. Sie schien alles um sich herum mit vornehmer Überlegenheit zu beherrschen, um so bemerkenswerter, als sie zutiefst erregt und totenbleich war. In der großen Diele hielt sich eine Anzahl von Dienstboten auf, die männlichen in der Nähe der großen Tür, während sich die Frauen in den entfernteren Winkeln und Eingängen aneinanderdrängten. Ein Superintendant der Polizei hatte mit Miß Trelawny gesprochen, zwei uniformierte Beamte und einer in Zivil waren mit ihm gekommen. Als sie impulsiv nach meiner Hand faßte, sah ich in ihrem Blick große Erleichterung über meine Ankunft. Die Begrüßung war kurz und bündig:
    »Ich wußte ja, daß Sie kommen würden!«
    Ein Händedruck kann so viel bedeuten, auch wenn er nichts Besonderes bedeuten soll. Miß Trelawnys Hand verlor sich irgendwie in der meinen. Nun war es beileibe eine kleine Hand. Zart und biegsam war sie, mit langen feinen Fingern – eine seltene und schöne Hand.
    Das Mädchen wandte sich um und sagte zu dem Polizeisuperintendenten: »Das ist Mr. Malcolm Ross.«
    Der Polizeioffizier salutierte und gab zurück:
    »Ich kenne Mr. Ross, Miß. Vielleicht wird er sich erinnern, daß ich die Ehre hatte, mit ihm im Fall Brixton Coining zusammenzuarbeiten.«
    Ich hatte ihn nicht auf den ersten Blick erkannt, da meine Aufmerksamkeit von allem Miß Trelawny gegolten hatte.
    »Ja natürlich. Superintendent Dolan, ich erinnere mich sehr wohl!« sagte ich, als wir einen Händedruck wechselten. Ich konnte nicht umhin zu bemerken, daß Miß Trelawny ob unserer Bekanntschaft erleichtert schien. Ihr Gehabe ließ auf eine gewisse Verlegenheit schließen, die meine Aufmerksamkeit weckte. Instinktiv empfand ich, daß ihr wohler zumute wäre, wenn sie mit mir allein sprechen könnte. Daher sagte ich zu Dolan: »Vielleicht ist es besser, wenn Miß Trelawny unter vier Augen mit mir sprechen kann. Sie haben bereits gehört, was sie weiß. Und ich werde die Sachlage besser beurteilen können, wenn ich ihr ein paar Fragen stellen kann. Nachher möchte ich mich mit Ihnen darüber unterhalten, wenn Sie es wünschen.«
    »Ich stehe gern zu Diensten, Sir«, antwortete er herzlich. Miß Trelawny folgend betrat ich nun einen elegant ausgestatteten Raum, den man von der Diele aus betrat und von dem aus man in den hinter dem Haus gelegenen Garten blickte. Als ich die Tür geschlossen hatte, sagte sie:
    »Für Ihre Güte, mir in dieser schwierigen Lage beizustehen, will ich Ihnen später danken. Im Moment aber helfen Sie mir am besten damit, daß sie die Tatsachen erfahren.«
    »Reden Sie«, sagte ich. »Sagen Sie mir alles, was Sie wissen und lassen Sie keine Einzelheit aus, mag sie im Moment auch noch so nebensächlich erscheinen.«
    Sie fing ohne Verzug an:
    »Ich wurde von einem Geräusch geweckt. Was es war, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß es bis in meinen Schlaf drang. Denn plötzlich war ich hellwach. Mit wildem Herzklopfen lauschte ich angestrengt auf Geräusche aus dem Zimmer meines Vaters. Mein Zimmer liegt gleich anschließend, und ich höre oft vor dem Einschlafen, wie er sich drüben zu schaffen macht. Er arbeitet oft bis spät in die Nacht hinein, zuweilen wird es sehr spät. So kommt es, daß ich, wenn ich gelegentlich früh oder im Morgengrau erwache, ihn noch immer höre. Einmal versuchte ich ihm dieses lange Aufbleiben auszureden, da es ihm ja nicht guttun kann. Einen zweiten Versuch wagte ich nicht. Sie wissen ja, wie streng und kalt er sein kann – oder Sie erinnern sich vielleicht, was ich Ihnen über ihn erzählte. Und wenn er in dieser Stimmung gar noch höflich ist, dann ist er schrecklich. Wird er zornig, dann kann ich es viel besser ertragen. Aber wenn er ganz langsam und bedächtig reagiert und den Mund seitlich hochzieht, so daß man die sehr spitzen Zähne sieht, dann spüre ich – nun, ich weiß nicht recht, was! Letzte Nacht also stand ich leise auf und schlich an die Tür, denn ich hatte Angst, ihn zu stören. Kein Geräusch, das ein Umhergehen angezeigt hätte, kein Schrei, doch ein sonderbares, schleppendes Geräusch, und ein langsames schweres Atem. Ach, schrecklich war es, da draußen in Dunkelheit und Stille zu warten und zu fürchten – ich weiß nicht, was!
    Schließlich aber nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und schob die Tür einen winzigen Spalt auf. Drinnen war es ganz dunkel. Ich konnte die Umrisse der Fenster

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