Die Silberdistel (German Edition)
gescheitert war.«
»Was soll’s! Nun haben wir unseren eigenen Geheimbund! Und der wird nicht so schnell scheitern. Im ganzen Land schwelt es doch schon an allen Ecken und Enden«, erwiderte Jerg unwirsch. Er hatte keine Lust, sich Geschichten von gescheiterten Aufständen anzuhören.
»Du hast recht, Jerg. Lange kann es nicht mehr dauern,bis aus den vielen kleinen Schwelbränden ein großer Flächenbrand wird«, antwortete Stefan zufrieden. »Mittlerweile sind schon im ganzen Land Mitglieder des Armen Konrad bemüht, weitere Männer für unsere Sache zu werben, da bin ich weiß Gott nicht der einzige! Aber ich möchte noch einmal auf deine Frage zurückkommen: Daß die Anfänge gerade im Remstal ihre Wurzeln haben, muß uns eigentlich nicht wundern, denn die Weinbauern hatten schon immer ein noch schwereres Los als wir. Schau nicht so ungläubig, so ist es in der Tat! Ist es für uns schon schwierig, einem Acker auch nur eine klägliche Getreideernte abzutrotzen, so ist es für die Winzer fast unmöglich, den Rebensaft sprudeln zu lassen! Denn auch sie müssen unzählige Fronarbeiten verrichten, die kostbare Zeit in Anspruch nehmen. Zeit, die bei der Pflege der Weinstöcke fehlt.«
Mit einem Seitenblick vergewisserte er sich Jergs Aufmerksamkeit, um sogleich fortzufahren: »Aber das ist noch nicht alles! Denn dazu kommt noch eine andere Plage, gegen die die Weinbauern vollkommen machtlos sind: Jeden Herbst haben sie unter riesigen Vogelschwärmen zu leiden, die sich die mühsam angebauten und gepflegten Trauben schmecken lassen, und wehe dem, der es wagt, einen dieser gefiederten Diebe zu fangen! Der muß damit rechnen, selbst von des Herzogs Mannen gefangen und übel zugerichtet zu werden. Und wehe dem Winzer oder Bauern, der sich traut, sich gegen schädliches Wild zur Wehr zu setzen! Darauf warten die Forstmeister und Waldschützen nur! Für die meisten dieser Gesellen ist die Jagd nach Weinbauern ein noch viel größerer Spaß als die Jagd nach Wildschweinen oder anderen Tieren.«
Aufgebracht schüttelte Jerg den Kopf. »Und das soll Gottes Gerechtigkeit sein? Eine Schweinerei ist das, wenn du mich fragst! Aber sag, woher weißt du das alles so genau?«
»Mein Weib, Gott hab’ sie selig, die kam doch aus Beutelsbach. Und ihren Bruder, den Michel, den treff’ ich ab undan heute noch. Der ist übrigens auch dabei … beim Armen Konrad, meine ich. Letztes Jahr, so hat er mir erzählt, hätten sie wegen der Vögel fast gar keine Ernte gehabt. Doch das ist den Verwaltern des Feudalherren egal, die stehen pünktlich jedes Jahr bei Fuß, um ein Drittel der Ernte für ihren Herrn einzufordern. Dazu kommen noch dreißig Schilling Weinbergzins, die ein Winzer durch den Verkauf seines restlichen Weines auf dem Markt und in den Weinschenken erzielen muß. Und die Kirche fordert ihren Zehnten. Am Ende bleibt für Michel und seine Familie gerade so viel übrig, daß es zum Leben zuwenig, zum Sterben zuviel ist! Und so geht das Jahr für Jahr.« Hilflos ballte Stefan die Hände zu Fäusten.
Jerg bebte vor Wut, zu viele Geschichten dieser Art hatte er schon hören müssen. »Von jetzt an werden wir uns alle zur Wehr setzen! Lange genug haben wir zusehen müssen, wie die adligen Herren ihre fetten Wänste immer fetter mästeten, während sich das einfache Volk um Hunde-und Katzenfleisch schlug, um nicht zu verhungern. Denk doch nur an die herzögliche Hochzeit vor drei Jahren! Mir kommt heute noch die Galle hoch, wenn ich mich daran erinnere. So eine sinnlose Prasserei wie Herzog Ulrichs Hochzeit mit Sabina, dieser Bayernfurie, hatte unser armes Land doch bis dahin noch nicht gesehen!«
»Sprich bloß nicht davon.« Stefan konnte, wie alle anderen auch, ein Liedchen singen von den Hochzeitsvorbereitungen, in die das ganze Land eingespannt gewesen war.
Wochen vorher schon hatte es für die Bauern nichts anderes als Frondienste verschiedenster Art gegeben: Das Schlagen von Holz, um daraus Sitzgelegenheiten für die 7000 Gäste zu zimmern, Vieh mästen und schlachten, Hühner füttern, Eier sammeln und in Essig legen, Schnecken sammeln und Obst pflücken. Natürlich war dabei die eigentliche Arbeit auf dem Felde zu kurz gekommen, und der darauffolgende Hungerswinter war ebenfalls schon im Sommer jenes Jahresabzusehen gewesen, denn statt die Weizen-und Dinkelernte trocken einbringen zu können, hatten die Bauern sämtliche Teiche und Seen im Land leerfischen müssen, so daß am Tage der Hochzeit schließlich 11 Tonnen
Weitere Kostenlose Bücher