Die Söhne der Sieben
zog mich zu einem kleinen Bach, wo ich mich waschen sollte. Ohne dass er es wusste, spielte er sich selbst in meine Hände. Mit nur einer fließenden Bewegung durchs Wasser, war sein eigenes Gewand gereinigt. Ich stellte mich absichtlich ungeschickt und schamlos an, als ich mir meine befleckten Sachen auszog und sie nackt in das Wasser tunkte. Ich bemerkte aus den Augenwinkeln, wie er mich dabei beobachtete. Langsam hegte auch ich den Verdacht, dass mein Vater Recht mit seiner Vermutung gehabt hatte. Das waren nicht die Augen eines Engels, die mich musterten.
„Wohin kannst du jetzt gehen?“ fragte Lilium plötzlich „Hast du Verwandte?“
Ich schüttelte leicht den Kopf und sah ihn aus großen Augen traurig an.
„Freunde von deinen Eltern?“ versuchte er es weiter, doch wieder schüttelte ich nur den Kopf: „Kannst du nicht bei mir bleiben?“
„Ich…?“ nun weiteten sich seine Augen „Ich kann nicht auf der Erde wohnen, aber ich passe trotzdem immer auf dich auf.“
„Aber jetzt… Nur für jetzt, bleibst du bei mir?“ fragte ich schluchzend. Es war ihm anzusehen, wie sehr er mit sich rang. Doch schließlich konnte er mir keinen Wunsch abschlagen: „Na schön, solange bis es dir besser geht…“
„Danke.“ ich zwang mich zu einem gequälten Lächeln. Seine blauen Augen waren dadurch noch viel mitleidiger auf mich gerichtet. Ich nutzte es schamlos aus. Nackt und schutzlos wie ich war, kauerte ich am Ufer des im Mondlicht schimmernden Baches und begann von neuen zu weinen. Würde er mich trösten wollten, musste er sich mir wohl oder übel nähern. Darauf lauerte ich mich einer listigen Vorfreude. Nach einigem Zögern tat der Engel es auch tatsächlich. Behutsam legte er seine feste warme Hand auf meine kalte bloße Schulter und streichelte beruhigend über meinen Rücken. Scheinbar in hemmungslosen Krämpfen geschüttelt, wandte ich mich zu ihm um und klammerte mich an sein feuchtes Gewand. Er wich nicht vor mir dem Kind zurück, kam aber auch nicht näher. Während ich mich an seine Beine schmiegte, streichelte er mir nur noch distanziert durch meine dichten Locken.
„Warum passiert so etwas schlimmes?“ schluchzte ich mit der Absicht seinen Glauben zu erschüttern. Doch das war bei einem Engel natürlich viel schwerer als bei einem Menschen. Lilium antwortete mit einer ganz ruhigen Stimme: „Ich weiß es nicht. Meist sind schlimme Taten Prüfungen für die Frommen. Und wenn sie sie bestehen, werden sie von Gott reich belohnt. Also hab Vertrauen in den Herrn.“
„Aber warum hat er meine Eltern sterben lassen? Ich bin ganz allein.“
„Du bist niemals allein und deine Eltern kommen ins Paradies, wo sie auf dich warten werden.“ tröstete er mich, ohne auf meine Frage geantwortet zu haben. Er bröckelte vielleicht doch schon etwas.
„Dann will ich sofort zu ihnen.“ verlangte ich weinend „Ich will auch sterben.“
„Nein, das darfst du nicht sagen.“ ich hatte ihn bestürzt. Nun achtete er nicht weiter auf Distanz und beugte sich ganz zu mir herab. Sanft nahm er mich auf seine starken Arme und trug mich, das zitternde Bündel, von dem feuchten Ufer des Waldbaches fort. Auf einer sehr schönen Lichtung mit blauen Blumen, die im Mondlicht hell erstrahlten ließ er mich wieder hinunter.
„Siehst du wie schön Gottes Schöpfung ist.“ forderte er mich auf „Du bist zu jung, um jetzt schon vom Sterben zu sprechen. Deine Eltern hatten genug Zeit, um die Erde zu erfreuen. Aber du sollst ihre Schönheiten erst noch kennen lernen.“
Das war ein wirklich schönes Ambiente in das er uns unwissend hinein manövriert hatte. Ich beachtete die Wiese gar nicht recht, sondern nutzte die Gelegenheit mich gleich wieder in seine Arme zu werfen, nun, da wir beide standen. Sein Gewand war noch feucht. Es war beinahe so, als wären wir beide nackt. Biegsam schmiegte ich mich an ihn und verbarg meinen Kopf an seiner breiten Brust. Ich spürte sein Herz unter meinem Ohr schlagen. Stark und regelmäßig klopfte es in diesem vollkommenen Körper. Vielleicht aber auch etwas schneller als gewöhnlich, oder bildete ich mir das nur ein? Während ich mich weiter einem herzzerreißenden Schluchzen hingab, zermarterte ich mich den Kopf darüber, wie ich ihm noch näher kommen konnte. Ich durfte nichts überstürzen, aber diese Gelegenheit sein Mitleid auszunutzen, durfte auch nicht ungenutzt verstreichen.
„Was soll ich jetzt machen?“ flüsterte ich überfordert, weil es auch sehr gut zur Situation
Weitere Kostenlose Bücher