Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
hatte es am Anfang ihrer Karriere perfektioniert, indem sie Farah Fawcetts Gesicht auf dem Poster studierte, auf dem sie den legendären roten Badeanzug trug. Julia hob das Kinn, neigte den Kopf leicht zur Seite und warf das lange Haar nach hinten. »Verpisst euch«, sagte sie freundlich. Sie schob das Handy in die Tasche ihrer Laufhose, knallte den Kofferraum des Wagens zu und setzte sich hinters Steuer.
Der Fahrer des Landcruisers gönnte ihr noch eine Fanfare, dann stob er von dannen, hinterließ nur eine Wolke ölig schwarzer Auspuffgase. »Arschlöcher«, murmelte Julia vor sich hin. Insgeheim fühlte sie sich jedoch geschmeichelt, dass sie mit fünfunddreißig immer noch gut genug aussah, dass ein Wagen voll ausgeflippter Studenten wegen ihr anhielt.
Der Fahrradladen war das letzte Geschäft einer kleinen Einkaufszeile am Croatan Highway. Jede Lücke auf dem Parkplatz war besetzt, Julia parkte in zweiter Reihe und eilte hinein. Eine Frau mittleren Alters mit hüftlangem, schwarz gefärbtem Haar saß auf einem Hocker an der Theke und blätterte in einem Katalog für Ersatzteile. »Hallo«, sagte sie und schaute auf.
»Ich habe ein Fahrrad im Auto, bei dem ist ein Rad verbogen«, sagte Julia. »Können Sie so was reparieren?«
»Klar«, sagte die Frau. Sie rutschte vom Hocker und folgte Julia nach draußen zum Van. Mühelos hob sie das Fahrrad heraus. Im Geschäft reichte sie Julia eine Karteikarte zum Ausfüllen mit Name, Adresse und Handynummer. »Mein Mann macht den Kostenvoranschlag und die Reparatur, er ist gerade unterwegs, liefert Strandstühle aus. Ich sag ihm, dass er Sie anrufen soll, sobald er einen Blick drauf geworfen hat«, erklärte die Frau.
»Wie lange dauert das?«, fragte Julia, die an Madisons Verärgerung angesichts der Aussicht dachte, ohne ihr Fahrrad auskommen zu müssen.
Die Frau zuckte mit den Schultern. »Wenn wir ein Ersatzrad haben, könnte es noch heute Nachmittag fertig sein. Wenn er sich eins vom Großhändler schicken lassen muss, könnte es ein paar Tage dauern.«
»Na toll«, sagte Julia, nicht gerade begeistert.
»Wir haben jede Menge Mieträder«, erklärte die Frau und zeigte nach draußen vors Geschäft, wo mindestens zwei Dutzend Räder jeglicher Machart standen.
»Werde ich ausrichten«, bemerkte Julia.
Als sie wieder ins Auto steigen wollte, hörte sie ein ungewöhnliches Geräusch. Es klang wie das eindringliche Bellen eines Hundes, kam jedoch aus ihrer Jogginghose. Julia griff in die Tasche und holte das Handy heraus. Madisons Telefon. Das Display leuchtete: Unbekannter Teilnehmer .
Julia zögerte, dann war die Neugier doch stärker. »Hallo«, sagte sie. »Dies ist der Anschluss von Madison.«
»Maryn?«, fragte eine Männerstimme, die nicht gerade glücklich klang. »Lass den Blödsinn! Ich weiß, dass du es bist.«
Julia runzelte die Stirn. »Wer ist da?«
»Wer ist denn da, verdammt nochmal?«, herrschte der Mann sie an.
»Hier ist Julia Capelli«, gab sie zurück.
»Gib mir Maryn!«
Schnell legte Julia auf. »Maryn?«, sagte sie leise. »Wer zum Teufel ist Maryn?«
Fast auf der Stelle klingelte das Telefon erneut, wieder kündigte das Display einen unbekannten Teilnehmer an. Diesmal ließ Julia es klingeln. Kurz darauf gab das Handy ein läutendes Geräusch von sich, und Julia sah, dass der Anrufer eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen hatte.
Sie vergewisserte sich, dass sie nicht beobachtet wurde. Die Einkaufszeile war fast eine Meile von Ebbtide entfernt. Madison mit ihrem verstauchten Knöchel war ganz bestimmt nicht heimlich hergeschlichen, schon gar nicht bei dieser Hitze. Dennoch beschloss Julia, kein Risiko einzugehen.
Sie fuhr mit dem Van um das Einkaufszentrum herum und parkte hinter einem Müllcontainer. Sie berührte das Symbol für die Mailbox, und das Display kündigte ihr acht neue Nachrichten an. Vier waren von einem Mann namens Don. Julia wählte sie an und lauschte dem Anruf, der kurz zuvor eingegangen war.
»Maryn, verdammt noch mal, ruf mich an!« Es war dieselbe Stimme, mit der sie kurz zuvor gesprochen hatte. »Tu mir das nicht an! Ich drehe hier fast durch. Ich weiß, dass du sauer bist, aber ich kann es dir erklären. Ruf mich an, ja? Sag mir bitte nur, wo du bist und dass alles in Ordnung ist. Es tut mir leid, wirklich. Ich wollte dir nicht wehtun. Ich würde dir niemals mit Absicht wehtun.«
Es waren mit Sicherheit über dreißig Grad im Van, doch trotz der Hitze zitterte Julia. Sie klickte die nächste Nachricht
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