Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
soll ich dir sagen? Soll ich lügen und behaupten, da wäre nichts? Es wäre alles nur ein Riesenfehler gewesen? Das kann ich nicht, Dorie. Schluss mit den Lügen. Als mein Vater krank wurde und ich hinflog, um ihn ein letztes Mal zu sehen, wusste ich, dass ich ihn wohl nie wiedersehen würde. Da wurde mir klar, dass es an der Zeit war. An der Zeit, mir nicht länger vorzumachen, wer ich bin und was ich will.«
»Es wäre schön gewesen, wenn du mir erzählt hättest, wer du bist und was du willst«, bemerkte Dorie leise.
»Ich wusste nicht wie. Ich hatte Angst. Und ich schämte mich!«
»Ach, Stephen«, sagte Dorie, setzte sich aufrecht hin und griff nach der Bettdecke, um sich die Augen trockenzutupfen. »Was machen wir jetzt?«
»Das müssen wir uns in Ruhe überlegen«, sagte er. »Was ist mit der Schule? Weiß Schwester Thomasine schon Bescheid? Das mit uns? Oder das mit dem Kind?«
»Nein«, erwiderte Dorie. »Ich habe es noch niemandem erzählt außer dir und den Mädels. Aber ich habe einen Vertrag, und ich habe vor, so lange wie möglich zu arbeiten. Was ist mit dir? Hast du es jemandem erzählt … dass wir uns getrennt haben, meine ich?«
»Nein«, sagte Stephen. »Ich dachte, wir unterhalten uns erst darüber. Überlegen uns, wie wir weiter vorgehen.«
Dorie verdrehte die Augen. So also sollte es laufen. Stephen war einfach nicht der Typ, der den ersten Schritt machte. Er würde die Realität so lange wie möglich verdrängen.
»Ellis’ Bruder Baylor hat einen Freund, der ist Scheidungsanwalt«, sagte Dorie forsch. »Ich werde mit ihm reden, damit er die Unterlagen so schnell wie möglich fertig macht. Ich denke, dass wir das Haus verkaufen müssen.«
»Warum?«, fragte Stephen. »Du liebst es doch.«
»Aber ich kann es mir mit meinem Gehalt nicht leisten, dort zu wohnen. Du genauso wenig.« Mit Absicht fragte Dorie nicht, wo Stephen nun zu leben beabsichtigte.
»Mein Vater hat mir ein bisschen Geld hinterlassen«, begann er.
»Genug, um die Hypothek abzuzahlen?«
»Nein, bei weitem nicht«, beeilte er sich zu sagen.
»Keine weiteren Fragen«, sagte Dorie. »Hör zu, ich werde mit Baylors Freund sprechen. Du suchst dir besser ebenfalls einen Anwalt. Und einen Immobilienmakler, damit wir das Haus auf den Markt bringen können. Ich rufe dich an, wenn ich weiß, wie wir das mit dem Anwalt machen müssen und so.«
»Ich will keinen Anwalt«, sagte Stephen trübsinnig. »Du kannst alles haben, Dorie. Ich möchte, dass unser Kind ein Heim hat. Es ist ja alles meine Schuld. Ich habe dir das angetan. Ich möchte nicht mit dir streiten. Und ich möchte mich nicht scheiden lassen.«
»Ich auch nicht. Aber du willst auch nicht mehr mit mir verheiratet sein. Es sieht so aus, als würdest du lieber mit Matt zusammen sein«, erinnerte Dorie ihn. »Du kannst nicht beides haben, Stephen. Ich will mich nicht mit dir streiten, und ich habe auch nicht die Absicht, dich bis auf die Unterhose auszuziehen. Ich will nur die Hälfte des Erlöses, wenn wir das Haus verkaufen. Und natürlich Unterhalt für das Kind.«
»Dorie?« Stephens Stimme war eindringlich. »Das Kind, was glaubst du, wann das passiert ist? Ich meine, ich dachte immer, wir würden Vorkehrungen treffen.«
»Im Mai«, sagte sie, schloss die Augen und versuchte, die Gefühle jener Nacht auszublenden. »Die Nacht vor der Abschlussfeier. Auf der Party bei Kristin und Bruce. Wir hatten beide zu viel getrunken, weißt du noch? Deshalb sind wir nicht nach Hause gefahren, sondern haben in ihrem Gästezimmer geschlafen. Und … du warst vorher so distanziert gewesen, aber in der Nacht, da warst du so lieb und albern. Es war wie damals, als wir uns kennenlernten. Und so … haben wir schließlich das Kind gemacht.«
»Tja«, sagte er leise. »Dann war es wohl so. Und … ich glaube, ich freu mich darüber, auch wenn der Zeitpunkt scheiße ist. Geht es dir denn gut? Passt du auf dich auf?«
»Am Anfang lief es nicht so glatt, aber die Übelkeit ist jetzt endlich weg, und mir geht es super«, antwortete Dorie und lächelte zum ersten Mal. »Die Mädels verwöhnen mich total.«
»Gut«, sagte Stephen. »Hör zu, ich muss jetzt wirklich los. Rufst du mich an, sobald du wieder in der Stadt bist? Ich muss dich dringend sehen.«
»Mach ich«, versprach Dorie. »Aber ich warne dich: Bis dahin bin ich kugelrund. Bis dann!«
24
Es war der erste heiße Sonnentag seit fast einer Woche. Direkt nach dem Frühstück hatte Julia das Lager an ihrem
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