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Die Sonne war der ganze Himmel

Die Sonne war der ganze Himmel

Titel: Die Sonne war der ganze Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Powers
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benommen zur Kenntnis nehmen, dass sich die Welt während seines Nickerchens ohne irgendwelche Zwischenfälle weitergedreht hatte. Er hätte auch behaupten können, dass Sonntag sei, was in Zeiten wie diesen durchaus eine Überraschung gewesen wäre, aber seine Worte trafen so oder so zu, und wenn tatsächlich Sonntag gewesen wäre, hätte das auch nicht viel geändert, denn wir hatten so lange kein Auge mehr zugetan, dass wir die Tage aus dem Blick verloren hatten, dass uns solche Informationen nicht mehr interessierten.
    Sterling sank neben dem Maschinengewehr vor die Mauer. Er winkte uns zu sich und holte, während die letzten Salven des nervösen Gewehrfeuers abebbten, ein Stück Kuchen aus der Beintasche. Er zerbrach den trockenen Kuchen in drei Teile. »Hier«, sagte er. »Esst.«
    Der Rauch lichtete sich. Ich konnte das Blut der am Straßenrand liegenden Alten erkennen. Der Staub wölkte in trägen Fahnen, wirbelte müde hin und her. Wieder waren Schüsse zu hören. Ein kleines Mädchen mit rotbraunen Locken und verschlissenem Kleid kam hinter einem Gebäude hervor und näherte sich der alten Frau. Verirrte, aus anderen Stellungen abgefeuerte Kugeln ließen Staubfontänen rings um sie aufsteigen.
    Wir schauten zu Sterling. Er winkte uns weg. »Gebt diesen Idioten durch, dass es nur ein Kind ist«, sagte er.
    Das Mädchen verschwand hinter dem Gebäude. Schließlich kam es wieder zum Vorschein, lief zu der alten Frau, ergriff sie bei einem Arm und versuchte vergeblich, sie wegzuschleifen, das Gesicht vor Anstrengung verzerrt. Dann zog das Mädchen Kreise um die Leiche. Ihre Spur im Staub war mit Blut gezeichnet, führte von dem brennenden Auto durch einen von Hyazinthen umgebenen Innenhof bis zu der Stelle, wo die tote Frau lag. Das kleine Mädchen setzte sich neben sie, wiegte sich hin und her und bewegte die Lippen, sang vielleicht eine für mich unhörbare Wüstenelegie.
    Alles war von der Asche der schwelenden Lehmziegel und des brennenden Fettes magerer Männer und Frauen bedeckt. Die fahlen Minarette beherrschten den Qualm, der Himmel war schneeweiß. Die Stadt schien sich aus dem langsam niedersinkenden Staub zu erheben. Unsere Arbeit war getan, jedenfalls vorerst. Es war September, und obwohl es kaum Bäume gab, die Laub verlieren konnten, fielen da und dort Blätter. Sie lösten sich von den verkohlten Ästen, segelten durch das Licht und den Wind, der von Norden aus den Hügeln kam. Ich versuchte, die durch die Explosionen von Mörsergranaten und Bomben abgeschüttelten Blätter zu zählen. Sie zitterten, und von jedem einzelnen rutschte eine dünne Staubschicht.
    Ich ließ meinen Blick über Murph und Sterling und den Rest des Zuges schweifen. Der Lieutenant kam zu jedem von uns, legte uns eine Hand auf den Arm, redete uns gut zu, versuchte, uns durch den Klang seiner Stimme zu beruhigen, als wären wir scheuende Pferde. Gut möglich, dass unsere Augen feucht und schwarz waren, gut möglich, dass wir die Zähne bleckten. »Gute Arbeit«, sagte er und: »Ihr habt es überstanden.« Und: »Wir kriegen das hin.« Ich konnte weder glauben, dass wir gut gekämpft hatten, noch, dass wir diesen Krieg überstehen würden. Ich weiß allerdings noch, dass man uns gesagt hatte, der Wahrheit sei es gleich, ob sie geglaubt werde oder nicht.
    Das Funkgerät meldete sich wieder. Der Lieutenant würde uns bald einen neuen Auftrag erteilen. Wenn dieser Auftrag kam, wären wir zweifellos müde, würden jedoch gehorchen, denn wir hatten keine andere Wahl. Vielleicht hatten wir sie früher gehabt: Alternativen, die Möglichkeit, einen anderen Weg einzuschlagen. Doch zu jenem Zeitpunkt stand unser Weg fest, auch wenn er noch im Dunkeln lag. Bevor wir uns versahen, würde die Nacht hereinbrechen. Wir hatten gelebt, Murph und ich.
    Ich frage mich oft, ob sich die Ereignisse durch irgendetwas andeuteten, ob ein Schatten auf ihm gelegen hatte. Hätte ich wissen müssen, wie nahe Murph dem Tod war? Wenn ich an die Tage auf dem Dach zurückdenke, kommt er mir vor wie ein Geist. Aber ich wusste es damals nicht, und wie hätte ich es auch wissen sollen? Niemand kann dergleichen im Voraus ahnen. Vielleicht bin ich insgeheim erleichtert, weil ich es nicht wusste, denn an jenem Septembermorgen in Al Tafar waren wir glücklich. Man würde uns bald ablösen. Der Tag war strahlend hell und warm. Wir schliefen.

Zwei Dezember 2003
    Fort Dix, New Jersey
    Mrs Ladonna Murphy, Postbotin in der Provinz, hätte schon beim Lesen des ersten

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