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0772 - Die Rache des Toten

0772 - Die Rache des Toten

Titel: 0772 - Die Rache des Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.H. Rückert
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Neunzehn Uhr und dreißig Minuten. Ende der Besichtigungszeit der revue de l’atrocité, der »Schau der Grausamkeiten«.
    Die letzten Besucher für den heutigen Tag verließen das Museum von Roanne. Sofort nachdem der letzte Besucher das Gebäude verlassen hatte, wurden die Türen verschlossen und die Sperrgitter heruntergelassen.
    Nachtwächter Howie Chapel atmete hörbar auf. Nicht, dass ihn die Besucher störten, aber ihm war die Stunde nach Schließung des Museums die liebste. Endlich war die Hektik des Tages beendet, und die selbst ernannten Kunstliebhaber und Möchtegernkritiker mussten ihre Meinung woanders verkünden.
    Chapel war sicher, dass sich der bevorstehende Jahreswechsel auch im Museum bemerkbar machte. Die meisten Besucher schienen nur aus Singles zu bestehen, die das Alleinsein nicht aushielten und alle Orte besuchten, die Aussicht auf die Begegnung mit anderen Menschen boten.
    Chapels Schicht begann um 18:00 Uhr, sie würde erst am nächsten Morgen um 6:00 Uhr wieder enden. Zwölf lange Stunden, die irgendwie Vorbeigehen mussten. Chapel hatte immer etwas zu lesen dabei, meistens Krimis oder Vampirgeschichten. Der Job als Nachtwächter des Sicherheitsdienstes brachte viel Leerlauf mit sich, Zeit, die er seiner Ansicht nach sinnvoll nutzen wollte.
    Er hatte einen fest umrissenen Zeitplan, wann er seine Runden laufen musste. Inzwischen, nach vielen Jahren, konnte er sogar mit geschlossenen Augen sagen, an welchem Platz im Museum er sich befand.
    Zwischendurch beschäftigte er sich immer wieder mit seinem Laptop. Sei es, um gewisse Sex-Homepages durchzusehen, oder nur, um die Clubzeitschrift des Taubenzüchterverbandes von Roanne und Umgebung zu gestalten.
    Roanne im französischen Loire-Departement, an der oberen Loire gelegen, besaß mehr als 60.000 Einwohner. Da der Verband, bei dem Chapel Mitglied war, stetig wuchs, hatte er mehr als genug zu tun.
    So schätzte er sich glücklich, die Clubzeitschrift während seiner Arbeitszeit gestalten zu können. Bei einem anderen Beruf wäre das nicht möglich gewesen.
    Die erste Runde hatte er schon hinter sich gebracht, als er die letzten Besucher aufforderte, langsam das Gebäude zu verlassen. Er vergewisserte sich vor dem Verschließen der Türen, dass er auch wirklich alleine war.
    Angst hatte er dabei nicht. Wovor auch? Schließlich war noch nie etwas in diesem Museum gestohlen worden. Auch die Gegenstände der laufenden Ausstellung, der »Schau der Grausamkeiten«, stellten zwar Raritäten dar, aber mit absoluter Sicherheit keine Ware, die auf dem Schwarzmarkt zu horrenden Preisen gehandelt wurde. Das Museum wurde zusätzlich mit Kameras abgesichert, und falls doch jemand einen Überfall wagen würde, so besaß Chapel Fritz, seinen deutschen Schäferhund.
    »Das Einzige, was mir an unseren Nachbarn im Osten gefällt, sind Schäferhunde und BMW«, sagte er immer mit einem gehässigen Grinsen. Fritz würde ihn beschützen, da war er sicher.
    Was also konnte schon passieren?
    »Schau der Grausamkeiten«, kicherte er und schüttelte den Kopf. »Auf was für ausgefallene Ideen die Leute nur kommen…«
    Bei dieser Schau handelte es sich um Folter- und Mordwerkzeuge aus den letzten fünf Jahrhunderten - Daumenschrauben, Guillotine, Streckbänke und was menschliche Perversität sich sonst alles auszudenken vermochte.
    Chapels Lieblingsutensil war ein Henkersbeil aus dem 16. Jahrhundert. Es hing, hinter einer Glasscheibe verborgen und durch Elektronik geschützt, an einer Wand. Er konnte selbst nicht erklären, weshalb, doch es gefiel ihm besser als alle anderen Ausstellungsstücke, die er je zuvor gesehen hatte. Selbst nach so vielen Jahren konnte man deutlich das getrocknete Blut des letzten Opfers an der Schneide erkennen.
    Er setzte sich auf seinen Stuhl und kraulte Fritz das Rückenfell. Der Schäferhund ließ sich das gerne gefallen und drückte sich gegen seinen Herren. Ein leises Grollen tief in der Kehle ließ erahnen, wie sehr er die Zuwendung genoss.
    »Nicht wahr, das gefällt dir?« Howie Chapel sah dem Hund ins Gesicht, doch der hatte die Augen geschlossen. »Bist halt doch ein Genießer…«
    Wie sehr viele andere Hundebesitzer besaß auch Chapel die Angewohnheit, mit seinem Tier zu reden, als würde es vollkommen verstehen, was er sagte. Und das bildete er sich auch allen Ernstes ein.
    Von einer Sekunde zur anderen gab der Hund die bequeme Haltung auf. Er zuckte zusammen, öffnete die Augen und bellte Chapel einmal an. Er lief einige Schritte

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