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Die Spieluhr: Roman (German Edition)

Die Spieluhr: Roman (German Edition)

Titel: Die Spieluhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Tukur
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erschrocken in die Dunkelheit.
    Was war das? Am Ende des Raumes zeigte sich ein Licht, ein heller, glühender Fleck, aber so weit entfernt, daß er die Dimension des Zimmers vollkommen zu sprengen schien.
    Dann kam ein zweites dazu und noch eins, bis ich wenigstens ein Dutzend leuchtender Punkte sah, die sich in der Ferne auf und ab bewegten und nach rechts und links und wieder zurück liefen.
    Ich stand auf und zog mich im Dunkeln an, wobei ich dieses irrlichternde Schauspiel nicht aus den Augen ließ.
    Kaum hatte ich mich drei Schritte vom Bett entfernt, bemerkte ich, daß ich im Freien stand.
    Das Dienstbotenzimmer hatte sich verflüchtigt, das Schloß war verschwunden, und ich spürte trockene, knirschende Walderde unter meinen Füßen.
    Um mich herum standen hohe Bäume, durch deren belaubte Wipfel helles Mondlicht fiel, so daß ich mich ein wenig orientieren konnte.
    Die leuchtenden Punkte kamen langsam näher, zogen sich bald ins Ovale und wurden immer länger, bis ich schließlich die Umrisse von Menschen erkannte, die von innen glühten wie Lampen.
    Es dauerte nicht lange, und ich hatte eine Lichtung erreicht, in deren Mitte ein mächtiger Laubbaum stand.
    Hier nun verweilte eine Gesellschaft von Männern und Frauen, die in kleinen Gruppen zusammenstanden, sich miteinander unterhielten oder entspannt am Boden lagerten.
    Sie waren in prächtige Kleider und Gewänder gehüllt, trugen Bundhosen und feingearbeitete Röcke und Wämse, Gehstöcke, turmhohe Frisuren und Zopfperücken, einige glühten am ganzen Leibe, als wären sie kleine Sonnen, andere standen schwarz wie Scherenschnitte im mondbeschienenen Rund der Lichtung.
    Märchenhaft schimmerte ein kleiner See durch die schwarzen Silhouetten der Bäume, an dessen Ufer nächtliche Spaziergänger flanierten. Sie schwebten über der Erde gleich Lampions, die an unsichtbaren Schnüren hingen.
    Unter dem Baum der Lichtung aber saßen drei Musikanten, die zum Tanz aufspielten; ein paar der anwesenden Geschöpfe bewegten sich dazu in den gemessenen Schritten einer Courante, hielten den geschminkten Kopf und das Kinn hoch, drückten die Brust heraus und berührten einander mit spitzen Fingern.
    Was ich da sah, war die nächtliche Spiegelung eines heiteren, sommerlichen Festes, ein verkehrtes déjeuner sur l’herbe geisterhafter Geschöpfe, das die beunruhigende Künstlichkeit eines alten, gläsernen Photonegativs besaß.
    War ich am Ende gar in den Gobelin hineingeraten, der im Korridor vor dem Spiegelsaal hing, oder in eines der monochromen Bilder?
    PLÖTZLICH HÖRTE ICH ein Flüstern und Wispern hinter mir und fuhr herum.
    Zuerst sah ich nichts, so sehr war ich geblendet.
    Ich schlug die Hände vors Gesicht und stolperte rückwärts.
    Als ich die Augen wieder öffnete, erblickte ich eine Schale, in der große, runde Früchte lagen, die ein gleißendes Licht verbreiteten.
    Die Frau, die sie in ihren Händen hielt, war schöner als ein Engel und strahlender als die Sonne.
    Und wie das glühende Zentralgestirn der Welt, in die ich eingeschlossen war, stand sie vor mir und verteilte die leuchtenden Früchte an Wesen, die von allen Seiten aus der Dunkelheit herandrängten, sie umringten und gierig danach griffen.
    Kaum hatten sie hineingebissen, fingen sie selbst am ganzen Körper an zu glühen, und mit dem Ausdruck des tiefsten Glücks traten sie zurück und machten anderen Platz.
    Die Frau aber war keine andere als die Marquise von Montrague.
    Zum ersten Mal sah ich sie leibhaftig, sie trug dasselbe prunkvolle Kostüm, das ich schon im Gemälde an ihr gesehen hatte.
    Sie trat auf mich zu und hielt mir einen Granatapfel entgegen. Er war aufgebrochen.
    Als ich danach griff, ergoß sich das Innere der Frucht wie Lava über meine Hand.
    Ich zuckte zurück aus Angst, ich könnte mich verbrennen, aber sie war überraschend kühl und trocken, und mich überkam ein Gefühl himmlischer Leichtigkeit.
    Da sah ich, wie sich aus dem Unterholz des Waldrandes eine Gestalt löste und ins Mondlicht trat. Sie winkte mir zu und ruderte mit den Armen in der Luft wie jemand, der anzeigen will, daß Gefahr drohe.
    Ich erschrak, denn ich glaubte Jean-Luc erkannt zu haben.
    Ich hätte schwören können, daß er es war, aber kaum hatte die Marquise einen weiteren Schritt auf mich zu getan, war der Spuk wieder verschwunden.
    »Essen Sie. Essen Sie nur, es ist gut.«
    Hatte sie wirklich etwas gesagt, oder vernahm ich die süße Stimme des Nachtwinds, der leise durch die Blätter der Bäume

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