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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olen Steinhauer
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Angst um seine Reifen haben musste. Doch sie hielten durch, und sein Weg führte ihn unaufhaltsam Richtung Hauptstadt.
    »Ich Journalist!«, rief er einem Soldaten an der letzten Absperrung vor der äußeren Ringstraße Pekings zu und zeigte seinen Pass vor. Der kleine Mann mit breitem Gesicht wirkte verwirrt, als er das Dokument prüfte. Alan deutete auf die eigene Brust. Er hatte den Anzug an, mit dem er ins Land eingereist war und den er bis gestern nicht mehr getragen hatte. Ihm war schmerzlich bewusst, wie lose die frisch gereinigten und gebügelten Kleidungsstücke an ihm hingen. »Journalist! New York Times! «
    Auch dafür hatte er einen Presseausweis und eine gefälschte Akkreditierung des Außenministeriums, beides auf den Namen George Miller. Außerdem befanden sich in einem ausgehöhlten, mit zwei Schrauben an der Unterseite des Wagens befestigten Katalysator die zerlegten Teile eines chinesischen Scharfschützengewehrs mit Zielfernrohr vom Typ M-99B, das auf eine Distanz von bis zu sechshundert Metern eingesetzt werden konnte. Allerdings brauchte er diese Reichweite gar nicht.
    Immer noch verwirrt entfernte sich der Soldat, um sich mit einem seiner Kameraden zu beraten.
    An der Absperrung wartete eine Schlange mit Lastwagen, die mit Spiegeln auf Rädern und eifrigen Kumming-Wolfshunden überprüft wurden. Plötzlich wurde er durch lautes Schreien auf einen Mann aufmerksam, der aus einem Lastwagen gezerrt und überwältigt wurde. Die Planenwände des Fahrzeugs waren so rußverschmiert, dass die Beschriftung nicht erkennbar war. Der junge Mann wehrte sich stumm gegen die zwei Soldaten, die ihn festhielten. Sie waren es, die riefen, möglicherweise nach Verstärkung. Dann taumelte einer der Soldaten zurück und fiel auf den Hintern. Der Lastwagenfahrer konnte sich losreißen und stürmte wie ein Besessener Richtung Peking davon. Gewehre wurden abgeschnallt und Warnrufe ausgestoßen. Als der Fahrer ungefähr hundert Meter Abstand hatte, eröffneten die Soldaten das Feuer. Der Flüchtende lief in Zickzacklinien, doch im Gegensatz zu Alan war ihm nicht klar, dass Soldaten auf der ganzen Welt schlechte Schützen sind. Es hatte keinen Sinn, auf Kosten der Geschwindigkeit Ausweichbewegungen zu machen, denn bei einer gewundenen Fluchtlinie war genauso mit Zufallstreffern zu rechnen wie bei einer geraden.
    Nach ungefähr zehn Sekunden stürzte der Fahrer aufs Gesicht, als wollte er in die Straße eintauchen, und sein linker Arm flatterte noch fünf Sekunden in der Luft, ehe er ebenfalls nach unten sank.
    Alans Soldat kehrte zu ihm zurück, um ihm schwer schnaufend seine Papiere zu überreichen, und fing an zu brüllen. Alan starrte ihn an. Der Soldat klatschte mit der flachen Hand aufs Autodach und deutete nach vorn. »Fahren! Fahren!«
    Hastig warf Alan den Motor an und steuerte kurz darauf an dem von fünf ratlos wirkenden Soldaten umringten Toten vorbei.
    Ein hochgewachsenes nigerianisches Paar in farbenprächtiger Wüstenkluft. Singende Russen in Trainingsanzügen. Gaffende alte Jungfern aus Australien. Betrunkene Argentinier, die mit Fußballschals winkten. Österreicherinnen mit blonden Heidizöpfen in traditioneller Tracht, gefolgt von kleinen, stumm marschierenden Sri Lankern in makelloser Kleidung. Amerikanische Shopper in belebten Hutongs. Überfordert wirkende Rotgardisten zwischen Horden von Ausländern auf dem Tian’anmen-Platz. Das Vogelneststadion mit seiner gotisch versponnenen Architektur inmitten einer Stadt der Würfel. Bemalte Autos, trötende Hupen, Verkehrspolizisten mit verzweifelt wedelnden weißen Handschuhen. Und Fahrräder, Tausende von Fahrrädern.
    Trotzdem musste er immer wieder an einen Lastwagenfahrer und einen zuckenden linken Arm denken.
    Er kannte sein Ziel, doch es war erst Mittag. Er fuhr vorsichtig und prägte sich so viel wie möglich ein für später, wenn er nach Einbruch der Dunkelheit fliehen würde, um nie zurückzukehren.
    Das Problem an Verschwörungen – zumindest an solchen, die in konkrete Aktionen mündeten – ist, dass jeder Einzelne nur für einen kleinen Teil des Gesamtplans verantwortlich ist. Gegenseitiges Vertrauen ist unverzichtbar. Er hatte gelernt, der Jugendliga hundertprozentig zu vertrauen, auch wenn ihr Vertrauen in ihn unangebracht war. Aber auch Vertrauen bot keine Gewähr dafür, dass der Junge, der den Lastwagen voller Sprengstoff in die Stadt bringen sollte, seinen Auftrag erfolgreich ausgeführt hatte. Möglicherweise war er der Fahrer gewesen,

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