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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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wohl«, sagt Lisbeth wieder und geleitet den Leutnant
hinaus.

    Entschlossen, das Beste aus ihrem Los zu machen, begibt
sie sich wieder an die Arbeit. Auf dem Wochenmarkt hat sie etwas Räucherfisch,
Speck und Butter, Mehl und Hefe erstanden. Das muss fürs Erste reichen. Der
Sack mit den Kartoffeln lehnt an der Kellerwand. Wegzusperren braucht sie ihn
nicht. Weder die Katzen noch die Mäuse schenken ihm Beachtung.

    Lisbeth liest dreißig große Kartoffeln aus dem Sack, pult
die Keimaugen heraus, wäscht die Knollen und schneidet sie in Stücke. Die gibt
sie in siedendes Wasser und lässt sie langsam garen – so wie jedes andere
Gemüse auch. Es dauert eine Ewigkeit, bis sie weich sind. Lisbeth braucht nicht
zu kosten, das Ergebnis riecht schauderhaft. Was dazu reichen? Sie entscheidet
sich für die Hühnereier, die sie während der letzten Woche aufbewahrt hat,
kocht sie hart und richtet sie klein gehackt mit etwas Räucherfisch, Zwiebeln
und Salzgürkchen an.

     
    Eierfisch (für 4 Personen)

    Schneide sechs hart gekochte und hinreichend abgekühlte Eier
in feine Würfel, verfahre ebenso mit einem Viertel Pfund Räucherfisch sowie
drei in Salzlake eingelegten Gürkchen. Mische alles vorsichtig in einer Schale.
Rühre nun drei Esslöffel Öl und einen Esslöffel Weinessig mit dem Schneebesen
zu einem Sud, gebe diesen über den Eierfisch und lasse alles eine kleine Weile
ruhen. So du es scharf magst, gib noch eine Kinderhand voll Senftriebe hinzu.
Serviere den Eierfisch mit Brot und Bier.

    Aus Franz Vincent Müllers Kochbrevier Die gute
Volksküche, erschienen zu Hamburg im Jahre 1802

     
    Hungrig fallen die jungen Soldaten am Abend ihres
ersten Manövers über die Teller her, vertilgen den Eierfisch bis auf den
letzten Rest, greifen zum Hefebrot, als wäre es ein Nachtisch, saufen Bier aus
dem Fass, ehe sie lallend in ihren Kammern verschwinden. Die Kartoffeln bleiben
unangerührt. Lisbeth schabt den gelbbraunen Matsch von den Tellern, wirft ihn auf
den Misthaufen.

    Die folgenden Tage probiert Lisbeth es mit allerlei Gewürzen,
mit gemahlenem Senfsamen, mit getrocknetem Liebstöckel, auch mit Pfeffer, dem
roten, weil der wie die Kartoffeln aus Amerika kommt und auch ein wenig
billiger ist als der schwarze. Einmal serviert sie Grünkohl, einmal Sauerkraut
dazu, streut geröstete Speckwürfel darüber – umsonst! Die jungen Burschen essen
alles auf – außer den Kartoffelstücken. Mit denen bewerfen sie sich gegenseitig
zum Spaß, zerquetschen sie auf Tischen und Bänken, treten sie mit ihren Stiefeln
auf den Dielen breit.

    Leutnant von Diest zeigt Verständnis, als Lisbeth sich beklagt,
ermahnt die Truppe mit guten Worten, erinnert sie an die Dankbarkeit, die ein
jeder den Gaben Gottes zu zollen habe, und an den respektvollen Umgang mit dem
einfachen Volk, den seine Majestät der König höchstderoselbst pflege und so
auch von seinen Soldaten verlangen könne. Die Truppe steht stramm, brüllt »Jawoll«.
Kaum ist das Essen am Abend ausgeteilt, geht die Sauerei weiter.

    Immer wieder stundenlang in der Küche hocken, mit krummem
Rücken und schrumpligen Fingern die elenden Kartoffeln entkeimen, waschen,
kochen – alles, um sie am nächsten Tag von Tischen, Bänken und Dielen zu
scheuern – ohnmächtige Wut umschließt Lisbeths Hals wie ein eiserner Ring.
Tränen tropfen auf ihre Schürze.

    Die Kerze auf dem Küchentisch flackert und raucht, ein
Wetterleuchten durchzuckt den Raum.

    »Mutter?«, schnieft Lisbeth und wischt sich die Tränen
ab.

    Nein, das ist niemals die Mutter! Aus dem Scherenschnitt
eines Schürhakens dicht neben dem Herd formt sich eine übergroße Gestalt. Rot
ist sie, rot wie der Teufel auf den Pappbildern, die der Pfarrer verteilt. Doch
keineswegs dürr und bocksbeinig, sondern schön und gerade gewachsen, mit
prallen Muskeln an Armen und Beinen, mit starken Schultern – ein Mann!
    Lisbeth springt auf, kreischt. Der Kerl verzieht keine Miene.
Nackt ist er. Oder fast nackt, trägt einen spärlichen Lederschurz an der
Stelle, wo ihm das Gemächte hängen muss. Ein bunter Federschmuck umrahmt sein
pechschwarzes Haar. So sehen Indianer aus. Ein fahrender Barbier auf dem Gocher
Markt hat sie neulich so beschrieben. Starr vor Schreck beobachtet Lisbeth, wie
sich der Indianer an den Küchentisch hockt, dorthin, wo gar kein Schemel steht.
Frei in der Luft hockt er mit seinem nackten Hinterteil, einem zugegebenermaßen
ansehnlichen Hinterteil mit festen Muskeln.

    »How«, sagt er und

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