Die Spucke des Teufels
bedeutet ihr, wieder Platz zu nehmen.
Lisbeth steht senkrecht wie die Leibgardisten, wenn Leutnant
von Diest sie zur Ordnung ruft. Sie wischt sich eilig die Tränen aus dem
Gesicht und richtet ihr Küchenmesser wie ein Schwert auf die Erscheinung.
»Ich w-weiß nicht, was er hier will, aber es w-wäre
besser, w-wenn er gleich w-wieder geht. Meine S-seele gehört dem Herrn Jesus
Christus!«, stammelt sie.
»Inewigkeitamen!«, bekräftigt sie, als er ungerührt
sitzen bleibt und den Haufen Kartoffeln mustert.
»How«, wiederholt er, zieht ein kleines metallenes Küchengerät
aus dem Nichts, ergreift die oberste Kartoffel –
Lisbeth lässt ihr Messerchen sinken, sieht zu, wie der
Rothäutige der Kartoffel die Schale abschabt, dünn und gleichmäßig. So macht
man es mit edlem Gemüse, mit Schwarzwurzeln oder Beten zum Beispiel. Also auch
mit Kartoffeln! Das Ergebnis sind makellose gelbweiße Knollen. Die schneidet
der Indianer in schmale Stücke und lässt sie in eine Schale mit kaltem Wasser
sinken. Gütig wie ein Säulenheiliger blickt er zu Lisbeth herüber.
Lisbeth zögert, bekreuzigt sich und nimmt Platz, greift
sich eine Kartoffel, schält, schneidet, gibt die Stücke ins Wasser. Unsicher
sieht sie auf, dem Indianer direkt ins Gesicht. Hohe Wangenknochen, schmale
Nase, kantiges Kinn. Ein schöner Mann! Er zwinkert ihr zu, wie die Mutter es
immer tat, wenn sie Lisbeth ermuntern wollte, ohne dass andere es merkten. Da
senkt Lisbeth rasch den Blick und schält weiter. Lange Kringel von
Kartoffelschalen häufen sich auf der Tischplatte und der Kessel wird voll.
Lisbeth schleppt ihn zum Herd, schürt das Feuer, legt zwei Scheite nach. Als
sie sich umsieht, ist der Indianer verschwunden.
»Danke!«, flüstert sie in den Schein der Kerze.
Am Ende der Kochzeit verwandeln sich die glasigen rohen
Kartoffelstücke in zarte, feinmehlige Häppchen, die fade schmecken, aber
appetitlich riechen. So kann man sie essen, befindet Lisbeth – wenn man nichts
anderes hat. Und schließlich gibt es im Haus nicht viel anderes mehr. Lisbeth
würzt die Kartoffeln mit etwas Salz, brutzelt eine Pfanne voller Zwiebelringe
in Schweinefett kross, streut sie über die Kartoffeln und gibt einen Klecks
Butter auf jeden Teller.
Immerhin, diesmal langt die Truppe zu, viele Teller werden
leer, andere bleiben höchstens halb voll. Und mancher von den Soldaten ist so
satt geworden, dass er die Backäpfel liegen lässt, die Lisbeth zum Nachtisch
reicht.
Am folgenden Tag macht sich Lisbeth erneut ans
Schälen. Sie ist guter Dinge. Zwiebeln sind noch da, Salz und Butter auch. Ein
oder zwei Kohlköpfe kann sie als Beilage aus dem Garten holen.
»Lass mor-gens uns erwaaachen und geh’n an uns-re Saaachen,
erfrischt an Seel und Leib«, singt Lisbeth vor sich hin. Noch vier Tage, dann
werden sie verschwinden, die Preußen. Dann kommt der Advent. Und mit ihm kommen
Händler von weither, die nächtigen wollen und gutes Geld einbringen. Dann wird
Lisbeth die restlichen Kartoffeln dem Armenhaus in Goch schenken. Nein, nicht
nur das! Sie wird den Nonnen, die für die Speisung sorgen, auch zeigen, wie man
Kartoffeln kocht, damit sie essbar sind. Schälen und in kaltes Wasser legen!
Wer hätte das gedacht!
»Halt ob uns deine Häääände …«
Eine Männerstimme zerschneidet Lisbeths Singsang. »Schön,
dass sie solch fromme Lieder weiß!«
Leutnant von Diest hat sich in der Tür zur Küche postiert.
Seine blauen Augen blitzen, er lächelt mit eingemeißelter Güte und bittet
Lisbeth herauszutreten in die Wirtsstube, wo das Dutzend Leibgardisten entlang
dem Tresen aufgereiht wartet.
Von Diest kommt ohne Umschweife zur Sache. Die Leibgarde
seiner Majestät Prinzessin Amalie von Preußen, trägt er vor, leistet schweren
Dienst. Und braucht daher gute Speise. Kartoffeln mit Butter und Zwiebeln mögen
für einen Bauern genügen. Ein Gardist, der bei Kräften bleiben muss, benötigt
Fleisch oder Wurst zur Nahrung.
»Ich habe leider nicht genug Geld, um Fleisch und Wurst
zu kaufen, Herr«, sagt Lisbeth und senkt den Blick.
»Wie das? Sie wurde doch im Voraus bezahlt!«
»Einen Gulden, Herr, hab ich zur Verpflegung der Gardisten
bekommen. Den habe ich allein für Brennholz, Salz und Butter ausgegeben.«
»In meinem Schriftstück steht sieben Gulden. Lüg
sie also nicht.«
»Ich habe nur einen Gulden erhalten, Herr!«
Der Leutnant atmet hörbar durch, seine Mundwinkel sinken,
dafür schießen die Augenbrauen in die Höhe.
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