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Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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1
    Die Sonntagshemden klebten an ihren Körpern, in den Gesichtern
glänzte der Schweiß. Das Einzige, was den Männern bei dieser Gluthitze einfiel,
war, im Schatten zu stehen und Bier zu trinken.
    »Verflucht, jetzt seht euch mal Magdas Vorbau an! Siebzig Jahre, und
immer noch solche Dinger.«
    »Hat sich wohl gelohnt, sieben Kinder zu kriegen.«
    »Ach was, wartet nur, bis die ihr Geschirr ablegt, dann fällt doch
alles auf den Boden!«
    Sie brachen in wildes Gelächter aus, unter dem Coca-Cola-Schirm
leuchteten ihre Gesichter hellrot.
    »Tschuldigung.« Annikas Stimme war kaum zu hören. »Ich müsste hier
mal durch …«
    Doch erst als sie versuchte, sich vorbeizudrängeln, wurden die
Bauern auf sie aufmerksam.
    »Annika Horstkemper! Das ist ja eine Überraschung!«
    »Unsere rasende Reporterin!«
    »Wieso hast du es denn so eilig? Willst du mit uns alten Herren
nicht ein Bierchen trinken?«
    Ihre Antwort ging im Getöse der Blaskapelle unter, die am Rande der
Festwiese aufspielte. Wahrscheinlich war das auch besser so. Sie ließ Bierwagen
und Stehtische hinter sich, grüßte ein paar Kinder, die vor der Tombola darüber
diskutierten, welche Preise am meisten wert seien, und erreichte den Pommes-
und Würstchenstand. Wie jedes Jahr arbeitete ihre Mutter auch auf diesem
Schützenfest ehrenamtlich am Grillrost.
    Sophia Horstkemper bemerkte ihre Tochter zunächst nicht. Würdevoll
stand sie da, in der einen Hand eine Holzzange und auf dem Kopf eine Haube, die
sie etwas schief in ihre kräftigen Locken gesteckt hatte. Wieder einmal war
Annika fasziniert von der Schönheit ihrer Mutter. Selbst mit neunundfünfzig
Jahren wirkte sie noch wie ein Filmstar, wie eine Göttin aus Hollywood.
    Ihre drei erwachsenen Töchter waren nach dem Vater geraten, die
Ähnlichkeit war unverkennbar. Theodor Horstkemper war ein netter Kerl gewesen,
doch alles andere als eine Augenweide. Annika hatte das oft bedauert und sich
irgendwann damit abgefunden.
    »Annika!« Ihre Mutter hatte sie entdeckt. »Wo bleibst du denn nur?
Ich habe mir Sorgen gemacht.«
    »Ich hab gesehen, dass du mich auf dem Handy angerufen hast.
Eigentlich wollte ich auch zurückrufen, aber dann hätte ich noch mehr Zeit
verloren.« Sie blickte sich um. »Ist der Vogel denn schon unten? Komm ich etwa
zu spät?«
    »Keine Bange. Mario stellt sich nicht gerade geschickt an.«
    Mario Westlake würde in diesem Jahr der Schützenkönig von
Erlenbrook-Kapelle werden. Unter der Hand war alles längst abgesprochen, die
Krone war seit Langem Marios großer Traum. So zielte keiner mehr ernsthaft auf
den Holzvogel am Ende der Stange, stattdessen schossen alle absichtlich daneben
und warteten darauf, dass Mario endlich den finalen Schuss abfeuerte. Was bislang
nicht geschehen war.
    »Mach schnell ein Foto von den Schützen. Sie stehen alle noch in
Reih und Glied«, sagte ihre Mutter. »Und erzähl mir später, was los war.«
    »Was für ein Glück! Bis später!«
    Annika lief weiter zur Festwiese. Alles wegen dieser blöden Kamera,
dachte sie. Die war erst unauffindbar gewesen, und dann hatte sich
herausgestellt, dass der Akku leer war. Wenn sie nicht bald lernte, sich besser
zu organisieren, würde sie ihren Job bei der Zeitung verlieren. Egal, wie sehr
ihre Chefin sie mochte.
    Die Schützen standen in einer Schlange vor dem Schießstand. Nur noch
ein knappes Dutzend war übrig geblieben. Alles junge Männer, die in
verschwitzten Uniformen und mit sonnenverbrannten Gesichtern in der Hitze
ausharrten.
    Anfangs beteiligten sich immer sämtliche Mitglieder des
Schützenvereins am Schießen. Das gehörte zur Tradition. Doch wenn der Holzvogel
erst einmal eine Reihe von Treffern abbekommen hatte und es nur noch eine Frage
der Zeit war, bis er endgültig von der Stange fiel, lichtete sich das Feld der
Schützen schnell. Die meisten siedelten zum Bierwagen über, wo sie sich unter
die Sonnenschirme stellten und das Schießen aus der Ferne verfolgten.
    Unter normalen Umständen wäre um diese Uhrzeit alles längst vorüber
gewesen. Doch nicht heute. Annika hielt die Hand über die Augen und musterte
den Vogel, von dem nur noch ein zerschossener Rumpf übrig war.
    »Das war jetzt der zweihundertachtzigste Schuss!«, rief eine
vertraute Stimme. »Du schaffst einen neuen Rekord, Mario!«
    Ihre Schwester Marita lehnte am Wiesenzaun hinter dem Schießstand
und betrachtete gut gelaunt Mario Westlake, der mit verkrampftem Gesicht das
Gewehr entgegennahm und bemüht war, Kommentare zu

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