Die Spucke des Teufels
eine
Viertelstunde warm stehen. Überbrühe in dieser Zeit zwei Hände voll Mandeln mit
heißem Wasser, löse die braune Schale ab und hacke die Mandeln in kleine Stücke
oder mahle sie fein. Gebe nun auch die Mandeln in die Milch. Schneide ein Pfund
altbackenes Weizenbrot in Scheiben und übergieße diese mit etwas Milch, dass
sie vollgesogen sind, aber nicht tropfen. Schichte nun die Brotscheiben
abwechselnd mit dem gequollenen Mohn in eine Schüssel und stelle die Schüssel
einige Stunden kalt. Dies ist eine feine Nachspeise an warmen Tagen, welche
deine Kinder lieben werden.
Aus Franz Vincent Müllers Kochbrevier Die gute Volksküche, erschienen zu Hamburg im Jahre 1802
Nachbemerkung
Nichts sei erregender als die Wahrheit, lautet
eine unter Journalisten bekannte Maxime. Sie stammt von Egon Erwin Kisch (1885–1948)
und jeder ernst zu nehmende Reporter hält sich daran. Ich natürlich auch. Nachdem
ich nun aber meinen ersten Roman beendet habe, muss ich Kisch widersprechen:
Fiktion kann noch weit erregender sein!
In historischen Romanen wie diesem bietet sich die Fiktion
gleich doppelt an. Zum einen, um Figuren und Ereignisse frei zu erschaffen, wie
in jeder anderen Erzählung auch. Zum anderen, um geschichtlich belegte Personen
auftreten und Ereignisse Revue passieren zu lassen, über die uns die Chronisten
zwar vieles, aber nicht alles verraten haben. Da werden die fehlenden
Puzzleteile zur prickelnden Herausforderung und die Überlieferungen zum
zwickenden Korsett, das man – um eines glaubhaften Plots willen – gar zu gerne
ein wenig lockern möchte. Was ich, nach jeweiliger Abwägung für und wider,
gelegentlich getan habe. Nach dem Motto: »Unanfechtbare Wahrheiten gibt es
überhaupt nicht, und wenn es welche gibt, so sind sie langweilig.« So könnte es
mein frei erfundener Lieblingsprotagonist, der fahrende Barbier und Kleinganove
Jost, erklärt haben. Tatsächlich stammt das Zitat aber von einem meiner
Lieblingsschriftsteller, Theodor Fontane.
Und dennoch hat die Leserschaft historischer Romane ein
Recht auf ehrliche Auskunft, was denn an den Eckdaten eines Plots jeweils
chronistisch belegt, was Spekulation und was reine Erfindung ist. Diesem Recht
komme ich gerne nach. Hier folgt eine kleine Übersicht über die wichtigsten
Wahrheiten, aber auch Halb- und Unwahrheiten meines Romans, aufgeschlüsselt
nach Kapiteln:
1 Prolog
Eine ansonsten sehr anschauliche Gocher
Stadtchronik vermerkt für den 1.11.1755 lapidar: Erdbeben am Niederrhein. Eine
Verbindung zu dem verheerenden Erd- und Seebeben, das am Morgen desselben Tags
vor allem Lissabon, aber auch weitere Teile Westeuropas und Nordafrikas traf,
wird nicht gezogen. Ich gehe hier mutig davon aus, dass für die Gelehrten seinerzeit
ein seismologischer, für das Volk am Niederrhein aber ein mythologischer Zusammenhang
bestand.
2 Lisbeth
Die Figur des Heribert Kreutzer wird in diesem und
den folgenden Kapiteln manchen Historiker an Karl Ludwig von Pöllnitz (1692–1775)
erinnern – einen Jugendfreund von Friedrich Wilhelm I., der wegen seiner
militärischen Verdienste von Friedrich II. widerwillig toleriert, aber immer
wieder in die Provinzen abgeschoben wurde. Er soll ein krankhafter Egomane
gewesen sein. Ob er zeitweise auch am Niederrhein stationiert war, ist nicht
bekannt. Denkbar ist es, schließlich stammte der Mann aus Issum.
Ich gebe gern zu, dass ich bei von Pöllnitz einige
Anleihen genommen habe. Dennoch ist Major Kreutzer eine frei erfundene Figur,
der ich nicht nur einen anderen Namen, sondern auch etwas mehr Leibesfülle, dafür
deutlich weniger Intellekt verliehen habe.
Die Vertreibung der Holländer aus Moers ist auf
1712 datiert. Ich habe mir erlaubt – und die Heimatforscher mögen es mir
verzeihen –, das Ereignis circa ein Jahrzehnt auf der Zeitachse nach vorn zu
rücken. Der Grund ist schnell erklärt: Lisbeth (schätzen wir sie mal auf Mitte
dreißig) wäre sonst noch nicht auf der Welt gewesen. Natürlich hätte der –
für die Romanhandlung dringend benötigte – Preußenhass auch anderswie in ihr
reifen können, aber eher auf langatmig zu erklärenden biografischen Umwegen.
Das zitierte Kochbuch ist ebenso erfunden wie
Franz Vincent Müller. Woraus man schließen darf, dass die Rezepte aus meiner
eigenen Versuchsküche stammen.
3 Jost
Kaum vorstellbar, dass die Kartoffel mehr als zwei
Jahrhunderte brauchte, um in Europa heimisch zu werden. Die
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