Die Spur der Hebamme
konnte Ärger geben. Sollte er doch seine abartigen Gelüste an ein paar Hörigen oder Bauernbälgern ausleben, möglichst weit weg von hier.
Ihm blieb noch eine Möglichkeit, dieses Weib unter Kontrolle zu bekommen. Und beim ersten Anzeichen, dass sie sich erinnerte, musste er sie unschädlich machen lassen.
»Nun, meine Tochter, ich bin geneigt, dir zu vertrauen«, meinte der Bischof gönnerhaft. »Die Anklage war nicht haltbar, und schließlich hat auch der Ausgang der Wasserprobe gezeigt, dass du eine fromme Christin bist. Zum Zeichen meiner Gnade werde ich dir persönlich die Beichte abnehmen, damit du beim morgigen Hochamt wieder eingesegnet werden kannst.«
»Ihr seid zu gütig, ehrwürdiger Bischof«, sagte Marthe.
Mochte er das Zittern in ihrer Stimme für Rührung halten. Aber es war Angst. Angst, er würde sie mit irgendeiner List überführen. Die Beichte war eine ernstzunehmende Angelegenheit und musste reinen Herzens abgelegt werden. Doch sie würde sich und wer weiß wie viele Menschen mit ins Verderben reißen, wenn sie jetzt nicht auf jedes Wort achtgab.
Der Bischof gebot ihr aufzustehen und geleitete sie durch eine Seitentür in eine Kapelle zum Beichtstuhl.
»Vergebt mir, Vater, denn ich habe gesündigt.«
»Beichte, welche Schuld du auf dich geladen hast.«
»Ich habe gegen die Worte von Pater Sebastian verstoßen.«
»Erzähle mir alles!«
»Er verbot mir, weiter als Heilerin und Wehmutter zu arbeiten. Doch als ich gestern die Markgräfin in ihrer Not sah und erkannte,dass die alte Wehmutter nichts tun konnte, weil ihre Hände zu zittrig geworden waren, bin ich in alte Gewohnheiten zurückverfallen und habe dem Kind auf die Welt geholfen.«
»Warst du dir bewusst, dass du gegen seine Weisung verstoßen hast?«
Marthe überlegte ihre Worte genau. »Ich habe zu Gott gebetet, dass er mir vergeben möge, und ihn um Beistand für die Herrin und das markgräfliche Kind angefleht.«
»Kennst du die Worte für die Nottaufe?«
»Selbstverständlich, und ich habe sie gesprochen, als der Kaplan nicht sofort zur Stelle war.«
»Welche Sünden hast du sonst noch begangen?«
Wieder antwortete Marthe mit Sorgfalt, aber ohne zu zögern. »Ganz gewiss unzählige, da jede Frau seit Eva eine Sünderin ist. Und ich bitte von Herzen um Vergebung dafür und bereue. Aber ich kann sie Euch nicht benennen. In meiner Erinnerung klafft ein riesiges Loch.«
»Und trotzdem willst du nicht ablassen von alten Gewohnheiten und weiter Gottes Willen durchkreuzen, indem du Menschen heilst, denen ER als Prüfung oder zur Strafe für ihre Sünden eine Krankheit gesandt hat?«
»Verzeiht mir meine Unwissenheit! Ich dachte nicht, dass ich damit gegen Seinen Willen verstoße. Ich glaubte, es sei ein gutes Werk. Ist es nicht meine fromme Christenpflicht? So wie jeder gute Christenmensch den Armen vor der Kirchentür Almosen gibt? Oder Damen von edlem Blut ihre Mildtätigkeit beweisen, indem sie eigenhändig die Reste ihrer Tafel an die Hungernden verteilen?«
Einige Zeit herrschte Schweigen. Dann endlich drangen die erlösenden Worte durch das Gitter: »Geh und bete zehn Rosenkränze, meine Tochter. Morgen wirst du mit einer Kerze in der Hand vor der Kirche knien und darfst dann wieder an der heiligenMesse teilnehmen. Hiermit spreche ich dich von deinen Sünden frei.«
Während Marthe mit weichen Knien nach draußen ging und darüber nachdachte, ob sich Bischof Martin wohl mit ihren Antworten zufriedengeben würde, hielt sie Ausschau nach Christian. Aber sie konnte ihn nicht entdecken. Stattdessen kam Lukas auf sie zu, sichtlich erleichtert, sie unbeschadet wiederzusehen.
»Musste Christian fort?«, fragte sie, und ein ungutes Gefühl kroch in ihr hoch.
»Gewissermaßen«, wich Lukas ihr aus. »Komm, gehen wir ins Warme.«
Doch so leicht ließ sie sich nicht abspeisen, dafür kannte sie Lukas zu gut. Irgendetwas wollte er vor ihr verbergen – und das konnte nichts Gutes bedeuten.
»Wo steckt Christian?«, fragte sie mit Nachdruck.
Lukas machte eine betretene Miene. »Nun ja, du sollst dich nicht aufregen …«
»Wo?!«
»Am Elbufer, er schlägt sich gerade mit Conrad und Berthold.« Vor Schreck blieb ihr der Mund offen stehen, dann wollte sie losrennen. Doch Lukas packte sie schnell am Arm und hielt sie fest.
»Du kannst da jetzt nicht hin! Wenn sich das herumspricht, bekommt er ziemlichen Ärger. Und er kann keine Ablenkung gebrauchen, wenn er allein gegen zwei gleichzeitig antritt.«
Fassungslos
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