0270 - Geistertanz der Teufelsmönche
Tanith war immer für eine Überraschung gut, und ihr Anruf bei mir hatte wie ein Hilfeschrei geklungen.
»Du mußt sofort kommen, John! Ich bin einem schrecklichen Geheimnis auf der Spur!«
Einem Geheimnis…
Was hatte es damit auf sich? Natürlich hatte ich sie gefragt, aber sie wollte mir am Telefon nichts sagen. Ich sollte so rasch wie möglich nach Paris kommen. Das hatte ich getan und stand nun vor ihrem Haus. Ich dachte an den Fall in New York, damals ging es um Gatanos Galgenhand. Da hatte mich Tanith auch gerufen, und es war kein blinder Alarm gewesen, weiß Gott nicht.
Verhielt es sich hier ähnlich?
Über Paris lag die Dämmerung. Sie kam mir wie ein gewaltiger Schleier vor, der die normalen Geräusche auf seltsame Art und Weise verzerrte, sie schluckte, um einen Teil nur wiederzugeben. Ich hörte die Musik aus irgendeiner Bar in der Nähe und nahm sie trotzdem nicht wahr. Auch nicht die Stimmen der Menschen, das Lachen der Frauen, mich interessierte nur das Haus.
Ihren kleinen Renault sah ich nicht. Tanith mußte ihn woanders abgestellt haben. Als ich vor der Tür stand, die mir so bekannt vorkam, schellte ich.
Deutlich hörte ich im Hausinnern die Glocke. Geöffnet wurde mir allerdings nicht.
Darüber wunderte ich mich, und das Gefühl der Furcht nahm allmählich beklemmende Formen an. Wenn Tanith sich nicht rührte, hatte dies einen Grund den ich herausfinden mußte. Ich kannte das Haus zwar von innen, wie es aber auf der Rückseite aussah, wußte ich nicht. Zudem war mir nicht bekannt, wie ich dorthin gelangen sollte.
Die Tür war verschlossen. Ein Blick auf das Schloß sagte mir, daß es nicht schwer sein würde, es zu öffnen. Ein gewisses Besteck trug ich bei mir.
Man sollte mich bei dieser Arbeit nur nicht sehen, deshalb überzeugte ich mich, ob die Luft rein war.
Es befanden sich zwar Menschen auf der Straße, aber sie nahmen von mir keinerlei Notiz. Die Leute waren mit sich selbst beschäftigt, lachten und scherzten.
Mein Öffner paßte. Wie geschmiert glitt er in das Schloß, und ich bewegte ihn vorsichtig nach rechts und links. Es war doch schwieriger, als ich angenommen hatte, das Schloß setzte mir Widerstand entgegen, dennoch bekam ich es auf.
Die Tür zitterte ein wenig mit, als ich mit der Schulter dagegen drückte und sie dann nach innen in den Flur schwang.
Er lag im Dunkeln.
Ich wußte genau, wohin ich mich zu wenden hatte, huschte in den Flur hinein und schloß die Tür hinter mir. Danach blieb ich stehen und horchte.
Eine nahezu greifbare Stille lag innerhalb des Hauses. Sie gefiel mir überhaupt nicht, denn nichts rührte sich in der Wohnung. Alles blieb so seltsam verwaschen, wie unter Watte verpackt, und die Geräusche der Straße wurden von den Mauern geschluckt.
War Tanith nicht zu Hause?
Eigentlich wäre es nicht ihre Art gewesen. Sie hatte mir gesagt, abwarten zu wollen, nun allerdings stand ich in einem Haus, das stockfinster vor mir lag.
Ich hatte Tanith schon mehrere Male einen Besuch abgestattet, dennoch wollte ich mich nicht im Finstern weiterbewegen und knipste das Licht an.
Madame Tanith hatte, ihrem Beruf entsprechend, immer ein wenig Wert auf Schau gelegt. Sie war sich ihres Jobs durchaus bewußt, und ihr war klar, was die Kunden sehen wollten.
So sprang das Licht nicht plötzlich, sondern allmählich an.
Ich kam mir vor wie im Kino. Mehrere Lampen leuchteten auf, sie tauchten die Diele in eine geheimnisvolles Licht.
Ich kam mir noch immer wie ein Eindringling vor. »Tanith?« rief ich, auch um meine eigene Verlegenheit zu überbrücken.
Keine Antwort.
Nur das Summen einer Fliege hörte ich, schlug mit der Hand nach ihr und hätte sie fast erwischt. Gegen Insekten war ich momentan allergisch. Der letzte Fall mit den Killer-Bienen hatte mir gereicht.
Rechts lag das Arbeitszimmer. Dieser geheimnisvolle Raum, in dem eine ganz andere Atmosphäre herrschte als in einem gewöhnlichen Zimmer. Eine Stimmung, wie sie die Kunden liebten. Ein wenig düster das Äußere, gleichzeitig geheimnisvoll und irgendwie prickelnd.
Ich öffnete die Tür.
Dahinter lag die Dunkelheit. Auch die Vorhänge waren zugezogen worden. Durch die Fenster fiel nicht der kleinste Streifen Licht.
»Tanith?« Als ich dies fragte, stand ich auf der Türschwelle, und mein Körper hob sich als Schattenriß vor dem hinter mir liegenden Raum ab.
Es blieb still. Ich war nicht einmal überrascht und suchte erneut nach dem Lichtschalter.
Auch in diesem Raum wurde es allmählich
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