Die Spur der Hebamme
miteinander geraten.
»Also, ehrlich, du beleidigst ihn, wenn du glaubst, er würde nicht allein mit diesen zwei Stümpern fertigwerden«, entrüstete sich Lukas.
Marthe blieb die Luft weg angesichts seiner Worte.
Männer! Begriffen diese Kerle denn gar nicht, dass in einem Kampf nicht immer zwangsläufig der Bessere siegte? Auch dem geübteren Kämpfer konnte irgendein unglücklicher Zufall zum Verhängnis werden – oder die Heimtücke eines Feindes, der sich nicht an die Regeln hielt. Und Christian trat sogar gegen zwei an, die bestimmt zu jeder Schändlichkeit bereit waren! Sein Schwert konnte bersten, ein Hieb abgleiten. Hatten Conrad und Berthold nicht den gleichen Lehrmeister im Schwertkampf wie er gehabt? Beherrschten sie nicht haargenau die gleichen Manöver?
»Unsinn, so redet nur jemand, der noch nie eine Waffe in der Hand gehabt hat«, widersprach Lukas energisch. »Sein Schwertwird nicht bersten. Es stammt von den Kölner Waffenschmieden, die bekanntlich die besten Schmiede hierzulande sind. Und wenn sie auch alle drei Arnulf als Lehrmeister hatten – ein Manöver zu kennen, das heißt noch lange nichts. Hier geht es um die Wucht des Hiebes, um Schnelligkeit, darum, die nächste Bewegung des Gegners vorauszuahnen. Dabei macht ihm keiner etwas vor. Und die zwei schon gar nicht. Die haben sich doch hier schon fast in die Hosen gemacht. Verzeih den rüden Ausdruck.«
Wieder einmal verneigte er sich spöttisch vor ihr.
Doch Marthe ließ sich nicht beruhigen. Vielleicht war sie schon Witwe – und alles nur wegen irgendeines läppischen Streites!
»Er tut das, um deinen Ruf zu verteidigen«, hielt Lukas ihr vor und brachte sie damit erwartungsgemäß zum Schweigen. Plötzlich musste sie an das Gespräch mit dem Bischof denken. Sie biss sich auf die Lippe und ließ den Kopf hängen. Schon wieder hatte sie Christian in Gefahr gebracht.
»He, kein Grund zu verzweifeln«, versuchte Lukas sie aufzumuntern. »Du wirst sehen, mit diesen zwei Versagern ist er im Handumdrehen fertig. Sie müssten eigentlich jeden Augenblick wieder auftauchen.«
Wenn sie nur seine Zuversicht teilen könnte! Dann sah sie eine Gruppe bewaffneter Männer durch das Schneegestöber auf sie zukommen, Christian an der Spitze.
Mit langen Schritten ging er auf sie zu. »Wie war es beim Bischof?«
»Wie war es auf der Kampfwiese?«, fragte sie aufgebracht zurück.
Er lächelte leicht. »Ganz nützlich. Ein Sieg unter Zeugen als Gottesbeweis für deine Unschuld. Und sollten diese beiden traurigen Gestalten« – er winkte Berthold und Conrad heran, die von einer Gruppe vergnügter Ritter umgeben waren – »nocheinmal eine schlechte Bemerkung über dich fallenlassen, haben sie vor der gesamten Ritterschaft ihr letztes bisschen Ehre verloren.«
Jemand stieß die beiden nach vorn.
»Ihr werdet jetzt die Dame Marthe kniefällig um Verzeihung bitten und euch ihres Wohlwollens versichern«, befahl Christian.
Beide knieten nieder und rangen sich ein paar reumütige Worte ab.
»Ich hatte solche Angst um dich«, schimpfte Marthe, als sich die Menschentraube aufgelöst hatte. »Musste das sein?«
»Ja«, sagte Christian, der auf einmal sehr finster dreinblickte.
Absolution und Rache
Es hätte nicht aufsehenerregender zugehen können: Zur hohen Messe kniete Marthe mit ihrer Kerze vor dem Dom, in einem prachtvollen neuen Kleid, das ihr Hedwig zum Dank geschenkt hatte. Dann durfte sie unter den Augen des gesamten Hofstaates die Kathedrale betreten, um die Sakramente zu empfangen. Da die Geschichte von Christians klarem Sieg über gleich zwei Verleumder inzwischen natürlich unter dem gesamten Hofstaat die Runde gemacht hatte und als eindeutiges Urteil gewertet wurde, war die Wiederherstellung von Marthes Ruf umfassend.
Vorerst zumindest. Sie und Christian waren sich darüber im Klaren, dass die Entscheidung noch lange nicht gefallen war, ob sie weiterhin ihre Arbeit als Wehmutter ausüben durfte. BischofMartins Leute würden sicher jeden ihrer Schritte überwachen. Sie durfte sich nicht das Geringste zuschulden kommen lassen, das auch nur den Hauch eines Verdachtes wecken konnte. Und unter der feindseligen Kontrolle durch Sebastian würde das Leben in ihrem Dorf ganz sicher noch schwieriger werden.
Doch das Hochamt hatte kaum begonnen, als sie plötzlich zusammenfuhr. In ihrem Rücken spürte sie eine so intensive Welle von Hass, dass sie sich unwillkürlich umdrehte.
Der Anblick traf sie wie ein Hammerschlag.
Das
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