Die Spur der Hebamme
dass er sie an einer solch heiklen Besprechung teilnehmen ließ, anstatt sie fortzuschicken, damit sie die Spinnstuben beaufsichtigte. Mit einem kurzen, intensiven Blick beschwor Dietrich Hedwig, sich die Kränkung nicht anmerken zu lassen. Sie verzehrten sich nach wie vor in ihrer heimlichen, gefährlichen Liebe und suchten nach einer Gelegenheit, sich unbeobachtet treffen zu können. Otto durfte nichts anderes in seiner Frau sehen als sein ergebenes Weib.
»Wie viel fordert er von den anderen, die sich vom Feldzug freikaufen wollen?«, erkundigte sich der Meißner Markgraf mürrisch. »Es wäre interessant, zu wissen, wie hoch er meinen Wert ansetzt.«
»Du bist nicht der Einzige, den die Summe in Nöte bringt«, berichtete sein jüngerer Bruder. »Der Erzbischof von Köln musste sich tausend Mark Silber borgen, und der Bischof von Lüttich soll für die geforderten tausend Mark zur Ausrüstung des Heeres sogar einige seiner Güter verpfändet haben. Der Kaiser ist zornig. Sechs Jahre war er nicht in Italien, so lange wie noch nie. Der lombardische Städtebund ist von neuem erstarkt, Mailand ist wieder aufgebaut, mit starken Mauern, Wällen und Wachtürmen. Übrigens auch mit byzantinischem Geld,wie gemunkelt wird. Doch die deutschen Fürsten zeigen wenig Bereitschaft, ihn bei diesem Feldzug zu unterstützen.«
»Kein Wunder, wenn man bedenkt, mit welchem Desaster der letzte endete«, knurrte Otto abfällig.
Damals, im Sommer 1167, hatte der Kaiser vor Rom in wenigen Tagen zweitausend Mann verloren – die Blüte des deutschen Adels, Ritter, Geistliche und auch seinen Freund und Vertrauten Rainald von Dassel, den Erzbischof von Köln. Die meisten von ihnen waren nicht den feindlichen Waffen erlegen, sondern einer furchtbaren Seuche, verbreitet durch gewaltige Schwärme von Insekten, die während der Belagerung nach einem Unwetter aus den Sümpfen aufstiegen. Ein Zeichen dafür, dass Gott ihnen grollte, wurde damals gemunkelt.
»Um der gefährlichen Sommerhitze zu entgehen, will der Kaiser diesmal auch erst im September aufbrechen«, fuhr Dietrich fort. »Doch alles in allem wird sein Heer, sofern nicht noch ein Wunder geschieht, selbst nach zuversichtlichen Schätzungen höchstens achttausend Mann stark sein. Dabei sind Eure böhmischen Truppen schon eingerechnet«, sagte er, zu Ulrich gewandt.
»Ich werde meine Böhmen zu ihm führen«, versicherte Ottos Schwiegersohn. »Doch vergesst nicht, es ist ein Söldnerheer. Es wird schwierig, die Männer beieinander und bei Laune zu halten, wenn der Sold nicht pünktlich gezahlt wird und sie keine Beute machen können.«
»Mit achttausend Mann kann er den lombardischen Städten nicht beikommen«, stellte Otto unumwunden fest. »Er hatte vor Jahren doch schon Mühe, Mailand mit fünfzigtausend Mann zu belagern. Der Feldzug ist verloren, noch bevor er begonnen hat. Ein Grund mehr, mich davon fernzuhalten. Und du bist wirklich fest entschlossen, dem Kaiser zu folgen?«, fragte er seinen Bruder zweifelnd.
»Ich habe es ihm geschworen. Wie könnte ich ihn im Stich lassen, da sonst kaum noch jemand Heerfolge leistet?« Bei diesen Worten vermied er sorgsam den Blick in Hedwigs Richtung.
»Zieht der Löwe mit ihm nach Italien?«, fragte Markgraf Otto gespannt. Der Herzog von Sachsen und Bayern hatte als mächtigster Vasall des Kaisers bisher bei Friedrichs Kriegszügen immer das größte Heer gestellt – nur auf dem letzten, gescheiterten Feldzug von 1167 nicht. Begründet hatte das Herzog Heinrich damals mit der Rebellion vieler Fürsten und Geistlicher gegen ihn, an der sich auch Otto, Dietrich und ihre Brüder Dedo und Friedrich beteiligt hatten.
»Der Kaiser baut darauf. Aber nach allem, was ich weiß, beabsichtigt Heinrich nicht, sich auf dieses Abenteuer einzulassen.«
»Ha!«, rief Otto begeistert aus. »Dann hat die Sache vielleicht doch noch ein Gutes. Wenn ihn der Löwe in dieser Lage im Stich lässt, dürfte es vorbei sein mit der großen Freundschaft zwischen dem Staufer und dem Welfen.«
»Möglich. Der Kaiser ist in großer Bedrängnis – eine Absage könnte zum Bruch führen.«
»Auf den Augenblick freue ich mich schon«, meinte Otto voller Häme. »Und jetzt ist ihm sein illustrer Schwiegervater auch keine große Hilfe mehr.«
König Heinrich Plantagenet von England, der Vater von Mathilde, der Gemahlin des Löwen, steckte in ernsthaften Schwierigkeiten. Nicht nur seine Söhne hatten sich gegen ihn erhoben, aufgestachelt von seiner eigenen Frau
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