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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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mit dem Geretteten bis zum Waldrand, wobei er sorgfältig vermied, dass der Junge seinen Rappen sah. Hier ließ er besser keine Legenden von einem schwarzen Reiter aufkommen.
    »Sag zu niemandem ein Wort«, schärfte er ihm ein.
    Am Waldrand gab er ihm einen Schubs. »Nun lauf schon, deine Mutter wird dich vermissen.«
    Ohne aufzusehen, rannte der Kleine davon.
    Christian sah ihm noch einen Augenblick nach. Dann ging er zurück und überlegte, was er mit dem Toten tun sollte.
    Wann würde man das Raubvogelgesicht in Meißen vermissen? Würde jemand nach ihm suchen?
    Ursprünglich hatte er den Leichnam beseitigen und in der Stadt das Gerücht verbreiten lassen wollen, der Geistliche habe in einer plötzlichen Eingebung beschlossen, auf Pilgerfahrt zu gehen.
    Doch so ein Ungeheuer verdiente kein Grab. Und hierher würde sich auf lange Zeit kein Mensch aus der Umgebung trauen. Bis man ihn in Meißen vermisste, würden die Wölfe jede Spur von ihm getilgt haben.
    Er ließ den Toten im Schnee liegen.
    Mit grimmiger Genugtuung ritt Christian zurück in sein Dorf.

DRITTER TEIL
     
Die Zeit der Feigheit
und des Verrats

Frühjahr 1174 in Meißen
    F ünftausend Mark Silber!«, rief Markgraf Otto fassungslos aus. »Das sind … ganze Wagenladungen! Woher soll ich die nehmen?«
    »Woher schon? Der Kaiser lässt ausrichten, er wisse durchaus, wie viel die Goslarer Gruben abwerfen. Und da die Christiansdorfer noch weitaus ergiebiger seien, wie die Leute landauf, landab erzählen, könne er diesen Beitrag für das Wohl des Reiches von dir erwarten«, anwortete sein Bruder Dietrich sarkastisch.
    Der Markgraf der Ostmark war soeben mit Botschaften des Kaisers auf dem Meißner Burgberg eingetroffen und hatte sich mit seinem Bruder und dessen Schwiegersohn zu einer privaten Unterredung zurückgezogen. Nur Hedwig war bei ihnen, bleich, aber gefasst, und ein Page, der sich beinahe ängstlich in eine Ecke verdrückte, nachdem er die Becher gefüllt hatte.
    Beim Hoftag über Ostern in Aachen, der mit großer Pracht gefeiert worden war – Kaiser und Kaiserin und ihr Sohn, König Heinrich, trugen aus diesem Anlass sogar ihre Kronen –, hattenvor allem die Gesandten des Sultans Saladin mit einem Angebot ihres Herrschers für Aufsehen gesorgt. Würde sich eine Tochter des Kaisers mit einem Sohn Saladins vermählen, ließe er alle gefangenen Christen frei. Sein Sohn würde für die Heirat sogar zum Christentum übertreten. Natürlich hatte niemand dieses Angebot ernst genommen, der Kaiser schon gar nicht. Aber es verschaffte ihm Zeit und die Möglichkeit, sich ganz auf den bevorstehenden Italienfeldzug zu konzentrieren.
    Und Friedrich Barbarossa forderte horrende Summen von den Fürsten und hohen Geistlichen, die sich von diesem Feldzug freikaufen wollten.
    »Entweder fünftausend Mark Silber, oder du stehst im September mit deinem Heer an seiner Seite, wenn er über die Alpen zieht.«
    Dietrich gab seinem älteren Bruder einen Moment Zeit, um die Nachricht zu verdauen. Nach einem tiefen Atemzug wiederholte er die Drohung des Kaisers: »Er lässt dich ausdrücklich daran erinnern, dass er sich von Herzog Heinrich Goslar und die dortigen Gruben wiedergeholt hat, nachdem der Löwe in seiner Schuld stand. Er könne ebenso Christiansdorf zur Stadt erheben und seiner Herrschaft unterstellen.«
    Für einen Moment herrschte betroffenes Schweigen in der Kemenate.
    Hedwig zog sich fröstelnd den Umhang enger um die Schulter. »Besteht Aussicht, dass er von der Summe etwas ablässt?«, fragte sie vorsichtig. Fünftausend Mark Silber waren eine ungeheure Menge. Sie wusste wie jeder andere, dass Otto einen solchen Betrag nur mit Schwierigkeiten aufzubringen vermochte. Vielleicht konnte sie mit der Kaiserin reden? Vor ein paar Jahren, bei jenem Hoftag in Würzburg, der Otto beinahe die Mark Meißen gekostet hätte, hatte Kaiserin Beatrix ihr geholfen und ihr eine vertrauliche Botschaft zukommen lassen,die Otto und seine Verbündeten schließlich zum Einlenken brachte.
    »Unsinn«, knurrte Otto und warf Hedwig einen strafenden Blick zu. »Der Kaiser ist kein Marktweib, mit dem man feilschen kann. Und ich auch nicht. Männer von Ehre tun das nicht.«
    Einmal mehr verspürte Dietrich rasenden Zorn darüber, wie sein Bruder mit Hedwig umging. Doch er verbarg das sorgfältig, wenn auch nur mit Mühe. Wie Otto seine Frau behandelte, war in jedermanns Augen allein dessen Sache. Die meisten Männer hielten es bereits für ein außergewöhnliches Entgegenkommen,

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