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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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finden, der im Frühjahr, wenn die Kapelle fertig war, zu ihnen ziehen sollte. Er sprach mit den Schreibern, die sich vor und in der Kathedrale herumdrückten, um einen Auftrag zu bekommen. Und er wurde Stammgast in der Gastwirtschaft, in der die Scholaren und Schreiber bevorzugt einkehrten, bei dünnem Bier und magerer Kost gelehrsame Dispute führten und die neuesten Geschichten austauschten – die beste Informationsquelle für seine Zwecke.
    Dabei hatte er auch nähere Bekanntschaft mit einem hungrig wirkenden jungen Hilfsschreiber aus dem Bischofspalast gemacht. Eine gute Gelegenheit, herauszufinden, was sie dort zu Marthes Fall reden und planen, hatte Till gedacht und dem Mann aus Christians Reisekasse mehrere Becher spendiert, angeblich weil er dessen Ausführungen zu Aristoteles so brillant fand und mehr davon hören wollte. Bald war der junge Mann so nah am Rande völliger Trunkenheit, dass Till dem Wirt bedeutete, vorerst die Becher nicht wieder nachzufüllen.
    Es war Till ein Leichtes gewesen, ihm Informationen über den aufsehenerregendsten Fall des Jahres zu entlocken. Dabei brachte der junge Mann auch ganz von sich die Rede auf den Mann, den Christian gerade beschrieben hatte. Was Till dabei zu hören bekam, hatte ihm eiskalte Schauer über den Rücken gejagt.
    Nachdem er dem Schreiber versichert hatte, sie seien nun Freunde fürs Leben, bettete er ihn mäßig rücksichtsvoll unter die Bank, damit er ungestört seinen Rausch ausschlafen konnte, und verschwand unerkannt. Was er erfahren hatte, erschien ihm so ungeheuerlich, dass er die nächste Gelegenheit nutzte, von fern einen Blick auf den Mann zu werfen.
    »Ein Abgesandter der Hölle im Gewand eines Gottesmannes«, sagte Till, und schon bei dem Gedanken schauderte ihn erneut. »Er scheint es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht zu haben, jeden zu vernichten, der auch nur ansatzweise unter dem Verdacht der Hexerei steht. Es heißt auch, selbst der grausamste Kerkermeister könnte noch von ihm lernen, wenn es darum geht, den Opfern ein Schuldgeständnis zu entlocken.«
    Der einstige Spielmann mied bei diesen Worten sorgfältig Christians Blick. Er nahm einen Schluck, um sich zu sammeln, und berichtete dann weiter. »Keiner weiß, wer wirklich sein Auftraggeber ist. Aber alle fürchten, es muss ein mächtigerMann sein. Deshalb wagt niemand, ihm in den Arm zu fallen, selbst wenn er jedes Maß überschreitet.«
    »Reist er viel?«, erkundigte sich Christian.
    »In regelmäßigen Abständen verschwindet er für ein paar Tage. Angeblich, um in einer abgelegenen Klause zu beten und Erleuchtung zu finden. Entweder sucht er neue Opfer – oder, wie gemunkelt wird, eine Gelegenheit, gewisse Gelüste zu befriedigen.«
    Till beobachtete seinen neuen Dienstherrn mit einem vorsichtigen Blick. »Er war es, der Eurer Frau das angetan hat, nicht wahr?« Es war eine Feststellung, keine Frage. »Ich denke, ich weiß, was Ihr vorhabt. Und ich werde schweigen wie ein Grab. Aber wenn ich Euch behilflich sein kann – nehmt mich mit! Ihr könnt auf mich zählen.«
    Christian schüttelte den Kopf. »Es ist am besten, du vergisst unser Gespräch.«
    In diese Sache durfte er niemanden mit hineinziehen. Schlimm genug, wenn er selbst sein Seelenheil verlor.
    »Nehmt mich mit«, sagte Till mit ungeahnter Heftigkeit. »Es war einer von seiner Sorte, der die Meute aufgestachelt hat, meine Frau, mein Kind und meinen Gefährten zu erschlagen! Ich könnte ihn unauffällig beobachten. Vergesst nicht, ich bin ein Spielmann und kann in viele Rollen schlüpfen. Niemand wird sich an mich erinnern, wenn ich es nicht will.«
     
    Am Morgen brach Christian erneut nach Meißen auf, um Marie und Clara zu Marthe zu bringen. Er hatte Hans und Friedrich, die beiden ehemaligen Salzfuhrleute aus Halle, mit klingender Münze davon überzeugt, ihre nächste Fahrt nach Meißen vorzuverlegen und die Mädchen auf ihrem Karren reisen zu lassen. Da die beiden redseligen Brüder ohnehin einen Narren an den Kindern gefressen hatten, machten sie aus der für Christian ungewohntlangsamen Reise für Clara und Marie ein Abenteuer mit vielen vergnüglichen Geschichten.
    Till begleitete sie auf einem Maulesel. Christian verabschiedete sich noch vor der Stadtgrenze von ihm.
    Glücklich drückte Marthe ihre Tochter nach der langen Trennung an sich. Doch in ihre Wiedersehensfreude mischte sich der Kummer über Christians bevorstehende Abreise. Er musste sich endlich wieder um die Angelegenheiten in seinem Dorf

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