Die Spur der Schuld - Private L.A.: Thriller (German Edition)
telefoniert. Sie habe normal geklungen.
»Was ich dich jetzt frage, ist hart für dich«, sagte ich. »Hatte sie ein Verhältnis? Oder hast du eins?«
Andy sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Ich? Nein. Sie? Sie hat mich geliebt. Es gab keinen Grund, so was zu tun. Wir haben uns geliebt. Ich hätte vorher nie gedacht, dass ich zu solchen Gefühlen fähig wäre. Wir wollten ein Kind zusammen haben.«
Ich atmete langsam ein und wieder aus. »Hat jemand dein Leben oder das von Shelby bedroht?«
»Ach, komm schon, ich bin doch im Grunde genommen nur ein besserer Erbsenzähler. Und wer hätte Shelby töten wollen? Alle haben sie geliebt…«
Offenbar nicht.
Um die nächste Frage kam ich nicht umhin. »Du musst mir die Wahrheit sagen, Andy. Hast du was damit zu tun?«
Innerhalb von fünf Sekunden wechselte Andys Gesichtsausdruck von Trauer über Schock zu Wut. »Das fragst du mich? Du weißt, wie sehr ich sie geliebt habe. Ich sage es dir nur einmal und will es nicht wiederholen müssen: Ich habe sie nicht getötet, Jack. Und ich weiß nicht, wer es getan hat. Das hier geht mir alles zu weit. Echt, Jack.«
Es wurde dunkel. Ich griff nach oben und schaltete das Licht ein. Andy sah mich an, als hätte ich ihm ins Gesicht geboxt.
Mein Gott, ich war sein bester Freund.
»Ich glaube dir«, versicherte ich ihm. »Aber die Polizei wird dich ins Kreuzverhör nehmen. Verstehst du? Der Ehemann ist immer der Verdächtige Nummer eins.«
Er nickte und begann erneut zu weinen.
Ich ging in den Flur. Von dort aus wählte ich die Privatnummer des Polizeichefs Michael Fescoe. Wir hatten uns in den letzten Jahren angefreundet. Seine Arbeit deprimierte ihn, doch er war ein guter Mensch. Ich vertraute ihm.
Ich erklärte Fescoe, was geschehen war, sagte auch, Andy und ich seien Sandkastenfreunde und hätten zusammen studiert, weswegen ich mich für seinen Charakter verbürgen könne.
Ich blieb bei Andy, bis die Polizei und die Sanitäter eintrafen. Einem Detective erzählte er, Shelby habe keine Feinde gehabt.
Dennoch hatte der Mörder auf eine Sache Wert gelegt.
Der Mord war nicht nur eine Hinrichtung gewesen.
Die Sache sah nach einer persönlichen Angelegenheit aus.
4
Justine Smith, Mitte dreißig, mit braunem Haar, war elegant, ernst und akademisch gebildet. Die studierte Psychologin und Profilerin war Jack Morgans Nummer zwei bei Private. Die Kunden vertrauten ihr fast genauso wie Jack. Sie wurde bewundert. Von allen.
Sie saß mit Bobby Petino, dem Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles, beim Abendessen. Bobby war ihr bester Freund und ihr Liebhaber. Ursprünglich stammte er aus New York und kannte sich mit italienischem Essen bestens aus. Er hatte Justine überrascht, als sie das Büro verlassen hatte, und war mit ihr ins »Giorgio Baldi’s« gefahren, in ihr gemeinsames Lieblingsrestaurant in Santa Monica.
Das Restaurant, ein Familienbetrieb, war gemütlich und ungezwungen eingerichtet. Die mit Kerzen geschmückten Tische standen nahe beieinander, was eine anheimelnde Atmosphäre schuf. Einige Gäste hier gehörten zu den Berühmtesten der Berühmten, doch Bobby hatte nur Augen für Justine und niemanden sonst. Auch nicht für Johnny Depp und Denzel Washington, die, über ihre eigenen Witze lachend, hereinkamen, als wären die Menschen um sie herum nur die Zuschauer für ihren Auftritt.
Bobby und Justine stießen mit ihrem Wein an, als Giorgio die hausgemachten Nudeln brachte.
»Weißt du was?«, sagte sie. »Ich liebe Überraschungen, die einen wirklich schrecklichen Tag ins Gegenteil umkehren. Du hast ins Schwarze getroffen. Danke.«
»Arbeit allein macht nicht glücklich«, erwiderte er nur.
»Mein schrecklicher Tag ist Vergangenheit. Ich sehe ihn nur noch im Rückspiegel. Ich habe bei einem blöden Fall unseres Büros in San Diego ausgeholfen, aber für heute ist die Sache erledigt. Juhu!«
Justine lächelte, doch Bobby konnte ihrem Blick nicht ganz standhalten. Als gäbe es da etwas, das er ihr nicht sagen wollte. Normalerweise merkten sie immer, was dem anderen auf dem Herzen lag, doch diesmal hatte Justine keinen blassen Schimmer.
»Was ist es? Bitte, lass mich nicht raten.«
»Eigentlich wollte ich es dir erst nach dem Essen sagen. Der Polizeichef hat angerufen. Es wurde wieder eine Schülerin getötet. Man hat sie eben erst gefunden.«
Justine verlor beinahe die Kontrolle über sich. Sie stieß ihr Glas um und ließ es liegen. Ihr Strahlen war verschwunden, ihre Gedanken rasten zurück
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