Die Stahlkönige
für die er keinen Namen wusste. Er nahm an, dass keines so groß wie die Ozeanschiffe war, die ihm sein Vater beschrieben hatte, aber dennoch sah er einige, die größer als alles waren, was er je auf einem Fluss erwartet hatte.
Nicht weit von ihm entfernt ragte ein wackeliger Steg in die trägen Fluten hinein. Ein ungefähr zehn Schritte langes Boot mit kurzem Mast war daran festgebunden, das Platz für sechs lange Ruder bot. Trotz der geringen Größe besaß es ein Oberdeck mit einer kleinen Kabine in der Mitte. Ein paar Männer lungerten herum, und auf dem Steg hockten zahlreiche Knaben mit Angelruten. Ein schlammiger Pfad führte vom Steg über den Wall und endete vor einer kleinen Ansammlung von Häusern, die wie Lagerhallen aussahen.
Kairn fand, dass er im Augenblick genug gesehen hatte und kehrte zum Pferch zurück, wo er das Cabo absattelte und losband. Es wanderte zu einem Heuhäufen hinüber und fraß. Dabei hielt es sich sorgsam von den Bucklern fern, die sich unter dem Dach des Schuppens drängten.
Er trug den Sattel, die Waffen und sein Bündel zum Gasthof, und der Wirt zeigte ihm ein kleines Zimmer, das recht sauber wirkte. Dort legte er seine Habe ab und kehrte in den Schankraum zurück.
»Es ist zwar noch früh für Bier oder Wein«, meinte der Wirt, »aber ich habe beides.«
Kairn schüttelte den Kopf. »Nein danke, aber ich bin fast am Verhungern. Was hast du anzubieten?«
»Mein Sohn ist noch nicht vom Fleischer zurück, aber ich habe guten Fisch.«
»Ist er frisch?«
»Wurde vor weniger als einer Stunde gefangen und zappelnd hergebracht. Ist das frisch genug?«
Kairn setzte sich, und wenig später brachte ihm eine junge Schankmagd einen Teller mit gegrilltem Fisch. In seinen Augen stellte Fisch keine besonders nahrhafte Speise dar, aber wenigstens würde er damit die Zeit bis zur nächsten Mahlzeit überbrücken können. Der Rest des Essens entsprach dem üblichen Angebot in allen einfachen Gasthäusern: Brot, Früchte, Käse und eine Schüssel mit verschiedenen Nüssen. Zu seiner Erleichterung war alles frisch. Er hatte viel zu lange von Reiseproviant gelebt, und die Verfahren, mit denen manche Völker Nahrung haltbar machten, erwiesen sich oft als unverträglich für Fremde, die nicht daran gewöhnt waren.
Das Mädchen stand schüchtern neben dem Tisch und betrachtete ihn, während er aß, durch gesenkte Lider. Die Stirnfransen der braunen Haare hingen bis zu den Augenbrauen herab. Das Haupthaar war in viele kleine Zöpfe geflochten, an deren Enden bunte Muschelschalen hingen. Sie schien ein wenig jünger als er selbst zu sein, ungefähr sechzehn Jahre alt. Ihre Haut war leicht gebräunt, die Augen von sehr dunklem Braun. In diesem Ort schien jeder und alles braun zu sein, als hätten sie die Farbe des großen Flusses angenommen, der ihr Leben bestimmte.
»Kann ich dir noch etwas bringen, Herr?«, fragte sie.
»Ich möchte nur ein paar Auskünfte. Erstens: Wie heißt du?«
»Ich heiße Gelber Vogel.«
»Ein schöner Name.« In seiner Heimat und in den anderen Ländern, die er besucht hatte, waren Namen bloß Laute. Hier im Südosten ergötzten sich die Menschen an ungewöhnlichen Namen. Manche wurden der Natur entnommen, andere den alten Sagen und wieder andere waren unbekannten Ursprungs.
»Was möchtest du wissen?«
»Zuerst einmal interessiert mich, wozu der große Erdwall dient, der entlang des Flusses verläuft.«
»Wir nennen ihn ›Deich‹. Er schützt uns bei Hochwasser vor den Fluten.«
Der Gedanke, dass der gewaltige Fluss anschwoll und noch mächtiger wurde, war beunruhigend. »Wie hoch steigt das Wasser?«
»In manchen Jahren bis etwa einen Fuß unterhalb der Brüstung. Dann ist das gegenüberliegende Ufer nicht mehr zu sehen, und man denkt, die ganze Welt bestünde aus Wasser.«
»Willst du damit sagen, dass die ganze Stadt unterhalb des Wasserspiegels liegt?« Trotz ihres Ernstes war er sicher, dass sie übertrieb.
»Ich sah Boote und Flöße. Was sind das für Menschen, die den Fluss befahren? Befördern sie etwas oder treiben sie Handel?«
»Die meisten sind Einheimische. Sie fischen oder bringen Waren und Reisende ans andere Ufer und zu den umliegenden Städten. Andere transportieren schwere Lasten. Die nach Süden treibenden Boote sind mit Holz, Korn und ab und zu mit Vieh beladen. Diejenigen, die aus dem Süden kommen, bringen Stoffe, Glas und Wein mit. Die Flussschiffer sind raue Gesellen, aber es gibt auch Familienboote. Diese Leute verbringen ihr
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