Die Stahlkönige
KAPITEL EINS
E r hatte keine Ahnung, wie das Dorf heißen mochte, aber im Augenblick war es ihm auch gleichgültig. Er war seit langer Zeit unterwegs und sehr erschöpft, doch schlimmer war die Müdigkeit des Cabos, denn ein Steppenkrieger kümmerte sich zuerst um die Bedürfnisse seines Tieres, ehe er sich um das eigene Wohl sorgte. Natürlich wollte er rasch vorankommen, musste jetzt aber anhalten, um eine dringend notwendige Rast einzulegen. Das Dorf eignete sich dazu ebenso gut wie jedes andere.
Der Reiter war ein junger Mann mit eisblauen Augen und hohen Wangenknochen. Das kupferfarbene Haar reichte ihm bis zu den Schultern. Er hatte die schwere Lederkleidung der Heimat zugunsten dünner Gewänder aus feinem bunten Stoff abgelegt, da er seit einem Monat durch warme Gebiete reiste.
Die kleinen Hufe des Cabos trotteten über die ausgetrocknete Straße aus festgestampftem Lehm. Es grunzte und schnaubte, während er ihm aufmunternd den Hals tätschelte. Der Geruch von Wasser lag in der Luft, und er wusste, dass sich ein Fluss in der Nähe befand. Der junge Mann richtete sich im Sattel auf und sah den Abhang hinunter, wo die Straße am Eingang des Dorfes endete. Eine hölzerne Palisade umgab die Siedlung, aber mehr war nicht zu erkennen. Es war noch früh am Morgen, und dichter Nebel verwehrte ihm den Blick über die Einzäunung hinweg. Das Tor stand offen, und er bemerkte eine Gestalt.
»Ich weiß, dass du lieber in der weiten Steppe wärst, wo du den ganzen Tag laufen kannst«, sagte er zu dem Cabo. »Wir haben jedoch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen und müssen deshalb noch geraume Zeit durch dieses elende Land reisen. Komm, wir wollen dort unten rasten.«
Wenigstens verstand das Tier die heimatliche Sprache. Die Menschen hier redeten in einem Dialekt der Nordsprache, den er anfangs nur verstand, wenn sie langsam und deutlich sprachen. Inzwischen hatte er sich an die verschwommenen Vokale und die träge Sprechweise gewöhnt, scheute sich aber, selbst in der ungewohnten Sprache zu reden.
Auf den Feldern, an denen er vorbeiritt, hielten die Menschen in ihrer Feldarbeit inne, um einen Blick auf den gutaussehenden jungen Krieger zu werfen, der eindeutig kein Einheimischer war. Vor ihm hing eine Lanze in einer Halterung neben dem Sattel, und ein Schwert steckte in der Scheide, die am Gürtel baumelte. Aus dem Schaft des rechten Stiefels ragte der Griff eines Messers, und am Sattel hingen Pfeile und ein Bogen. Er saß so selbstverständlich auf dem Cabo, als sei er mit dem Tier verwachsen.
Der Mann am Palisadentor musterte den Reiter durchdringend. Er trug eine Tunika, eine lange Hose und Sandalen. Um den Hals hing ein Bronzemedaillon. Er blieb auf der Bank sitzen, als das Cabo vor ihm anhielt.
»Ein ungewöhnlicher Anblick so früh am Morgen«, sagte der Mann. »Wer bist du?«
»Ich heiße Kairn.«
»Woher kommst du?«
Der junge Krieger zeigte mit dem Daumen über die Schulter nach Nordwesten. »Von dort.«
»Das ist ein großes Gebiet.«
Kairn nickte. »Stimmt. Ich bin hindurchgeritten.«
»Du hast keine Packtiere bei dir. Verkaufst du etwas?«
Die Frage war ungewöhnlich. »Nein. Wieso?«
»Der Regierung sind Reisende gleichgültig, Steuern aber nicht. Wenn du keine Waren bei dir hast, musst du mir auch nichts bezahlen.«
»Das gefällt mir«, antwortete Kairn. »Von welcher Regierung sprichst du? Dies ist die erste Stadt, die ich seit Tagen sehe, und weiß nicht einmal, in welchem Land ich mich befinde.«
»Du bist in der nordwestlichen Präfektur von Groß-Mezpa.«
»Und wo liegt Klein-Mezpa?«
»Das gibt es nicht. Früher gab es viele Länder und kleine Königreiche entlang des Flusses, aber im Laufe der Jahrhunderte eroberte Mezpa eines nach dem anderen, und nun erstreckt es sich bis hin zum Delta im Süden und im Osten bis hin zum großen Meer.«
»Das hört sich nach einem großen Land an. Wer ist der Vertreter des Königs in diesem Ort?«
»So weit abseits der großen Städte gibt es nicht viele Beamte. Der Statthalter von Lehmboden bin ich.«
Kairn wusste von seinem Vater ein wenig über das Land, hielt es aber für ratsam, den Unwissenden zu spielen.
»Wer ist der König von Mezpa?«
»Es gibt keinen König. Mezpa ist eine Republik.«
»Was bedeutet das?«
»Der Rat der Weisen wählt einen Vorsitzenden aus den eigenen Reihen, aber frage mich nicht, wie das geschieht. Der Vorsitzende hat fast königliche Macht, bis der Rat ihn wieder abwählt. Ich hörte, sie befinden sich
Weitere Kostenlose Bücher