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Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu

Titel: Die Stille in Prag - Rudis, J: Stille in Prag - Potichu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Rudis
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Beistand brauchen, übernehme ich deine Verteidigung«, sagt Sylva.
    »Ich geb dir dann seine Nummer. Wie sieht’s aus, Petr, ziehst du mit uns weiter? Hier läuft nichts mehr.«
    »Ich glaub nicht … Mir tut der Kopf ganz schön weh. Und ich muss nach Malmö suchen.«
    »Eine Schwedin?«, fragt Stephanie.
    »Ja. Das einzige weibliche Wesen, das es mit Petr aushält.«
    »Ist sie hübsch?«
    »Vor allem irre treu«, Egon lacht.
    »Leck dich …«
    Petr dreht sich um und geht zurück ins Gebäude.
    Im verdunkelten Backstage findet er sie endlich. Auf der Couch dort hocken zwei Typen und starren abwesend vor sich hin. Es ist ganz still. Malmö liegt in der Ecke, mit dem Kopf auf den Pfoten.

DER LETZTE SONG
    M an bringt sie auf einer Trage weg. Sie spürt ihre Beine nicht. Auch ihren Kopf und ihren Herzschlag nicht. Unter dem T-Shirt hat sie eine Schachtel Zigaretten. Vanda verschlingt mit den Augen die Sterne am Himmel. Als hinter ihr die Tür zugeht, bemerkt sie die goldenen Rauten auf ihren schwarzen Converse-Schuhen, die ebenfalls wie kleine Sterne aussehen. New line by Converse. Ein Stück vom Himmel nimmt sie also mit.
    Der Krankenwagen fährt los. Der Fahrer schaltet die Sirene an. Um Vanda herum stehen Geräte, mit deren Hilfe in Telenovelas zersprungene Herzen wieder in Bewegung gesetzt werden. Auf den Regalen prangen orangefarbene Boxen mit Verbandszeug. Spritzen.
    Ihr Mund brennt und ihr Kopf tut weh.
    »Was ist passiert?«
    »In ein paar Tagen bist du wieder auf den Beinen.«
    Auf einmal kommt die Erinnerung zurück. Vanda sieht eine kleine Flamme über ihren Mund fahren. Als hätte sie eine unsichtbare Ohrfeige bekommen. Sie fühlt, wie sie das Bewusstsein verliert. Bleibt eine Weile stehen. Dann geht das Licht aus. Vanda stolpert vom Podium herunter. Sie hört nichts. Es ist dunkel. Sie findet den Backstage-Bereich, dort sitzen Harry und Tony. Sie leuchten mit ihren Handys und schweigen. Vanda beugt sich über Malmö und streichelt sie. Sie kann immer noch nichts hören. Harry hat Angst. Er sieht blass aus. Verschwitzt. Ringt nach Atem und lässt sich auf die Couch fallen. Vanda versucht zu sagen, dass sie Hilfe holt. Sie weiß nicht, ob sie sie verstanden haben. Sie taucht wieder in die Dunkelheit ein. Die Stille wirkt fast betörend. Raus aus dem Saal. Sie sieht Menschen um einen gekrümmten Körper herum stehen. Riecht etwas Verbranntes. Sie muss würgen, geht aber weiter. Nach oben. Nach draußen.
    Sie fühlt sich zum zweiten Mal an diesem Tag klein und ganz allein, diese Einsamkeit ist aber anders als die vom Vormittag vor dem Schaufenster. Diese ist echt. Und grenzenlos.
    Vanda irrt zwischen den Menschen umher und sucht nach Hilfe für Harry. Ein paar Schritte von ihr entfernt prügeln sich zwei Männer. Einer davon ist der Straßenbahner. Dann lässt sie sich auf den Gehsteig fallen. Man ruft ihr etwas zu. Die Worte dringen nur ganz langsam zu ihr durch. Als wären es Schiffe, die eine riesige Entfernung überwinden müssen. Wie Fische, die ihr aus der Tiefe des Ozeans Luftblasen zuwerfen.
    Auf einmal sieht sie das beleuchtete Aquarium mit Nestor und dem Bathyscaphe. Sie sieht die Wohnung von Petr. Sie sieht sich dort nackt herumspazieren. Ein Buch in die Hand nehmen, aus dem Geld herausrieselt. Sie sieht sich ihre Telefonnummer an die Wand des Aquariums schreiben.
    Sie sollte Petr das Geld zurückgeben. Sie sollte ihren Vater anrufen und sich entschuldigen, dass sie ihn angelogen hat. Sie sollte sich bei Lucie entschuldigen. Sie sollte sich um ihre Mutter kümmern, die keinen anderen Menschen außer ihr hat. Sie sollte Harry verzeihen. Die Frau im grünen Kleid vergessen. Sich wieder in ihn verlieben. Oder ihn ziehen lassen und sich mit Petr zusammentun. Sich von ihm Löcher in den Bauch reden lassen, sie hat sich noch nie so lange mit einem Menschen unterhalten wie gestern Nacht mit ihm. Sie sollte aufhören mit den Drogen. Wieder in die Schule gehen.
    »Es brennt. Ganz furchtbar.«
    »Das geht bald vorbei«, sagt die Ärztin.
    »Ich habe schreckliche Angst.«
    »Brauchst du nicht. Hör auf zu reden und konzentriere dich auf deinen Atem!«
    »Ich sterbe.«
    »Daran stirbt man nicht … Mach die Augen zu. Ich geb dir was zur Beruhigung.«
    »Koks?«
    Vanda versucht zu lächeln, aber die verbrannten Lippen tun weh.
    »Etwas Ähnliches.«
    Der Krankenwagen ruckelt. Kopfsteinpflaster. Oder Straßenbahnschienen. Oder die Dächer, falls der Weg in den Himmel fortgesetzt wird. Der Schmerz hört auf.

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