Die Stimme der Jägerin (German Edition)
falls Rodriguez übereifrig wird, aber eigentlich sollte bis zum Morgengrauen alles ruhig bleiben.«
»Du bist sicher«, sagte er. Sein Griff würde blaue Flecken auf ihren Schultern hinterlassen. Sie glaubte nicht, dass ihm das bewusst war. »Du bist sicher, dass sie außer Gefecht gesetzt sind.«
Sie fand wieder Halt. Plötzlich ganz ruhig, begegnete sie seinem Blick und sagte sanft: »Ich bin ziemlich sicher. Ich wusste, was ich tat, und kann dir versprechen, dass ich sie ordentlich erwischt habe.«
Sein Gesicht nahm einen rohen Ausdruck an, und die Erinnerung an den Albtraum kehrte in seine wunderschönen dunklen Augen zurück. Er flüsterte: »Verdammt, ich wünschte, ich hätte das gesehen.«
Wieder konnte sie seinen Schmerz spüren. Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle, und sie musste schlucken. Wenn sie nur ein bisschen Zeit für sich allein hätte, könnte sie vielleicht einen Weg finden, sich gegen solchen Mist abzuschirmen.
Noch immer hielt er ihre Schultern fest umklammert. Sie legte ihre Hände auf seine, strich über seinen breiten, starken, von Sehnen durchzogenen Handrücken. »Ich wünschte auch, du hättest es gesehen«, sagte sie. »Aber jetzt musst du mir erklären, was hier los ist. Es hat etwas mit der Mine zu tun, oder?«
Das riss seinen Blick in die Gegenwart zurück.
»Ja«, sagte er.
Es klopfte kurz an der Tür, und gleich darauf trat Jackson ein. Er hatte ein Bündel Kleidung dabei. »Ich weiß ja nicht, Goldstück«, sagte er. »Vielleicht ist hier etwas dabei, womit du über die Nacht kommst. Brauchst du die Schlüssel zu meinem Wagen noch?«
Ein plötzliches Funkeln hellte Claudias grüne Augen auf, und Luis unterdrückte ein Grinsen. Er wandte den Blick nicht ab und ließ sie auch nicht los, als er sagte: »Ich heiße Luis Alvarez. Da Claudia jetzt wohlbehalten wieder da ist, dürfte das Transportproblem nicht mehr so dringend sein.«
»Aha«, sagte Jackson. »Na, das sind dann wohl gute Nachrichten, oder?«
»Ja, das sind es«, sagte Luis. »Für den Moment.«
Dann musste er sich dem Unausweichlichen fügen, als sich Claudia vorsichtig aus seinem Griff löste und an Jackson wandte: »Ich möchte, dass Sie trotzdem so schnell wie möglich nach Fresno aufbrechen. Würden Sie das bitte tun?«
Jackson nickte nachdenklich. »Die nächtliche Pokerrunde brauchen wir wohl nicht mehr, was?«
»Nein«, sagte Luis. Er nahm das Kleiderbündel von dem älteren Mann entgegen und sah es durch. Dann fügte er hinzu: »Richten Sie Stewart bitte aus, dass ich seiner Klinik die Heiltränke erstatten werde.«
»Mach ich«, sagte Jackson, dann zögerte er. »Werden Sie mir irgendwann verraten, was hier los ist?«
»Es gibt Ärger mit der Mine«, sagte Luis, sah dann Claudia an und verstummte.
Jackson schob die Zunge in die Innenseite seiner Wange und blickte von einem zum anderen. Schließlich seufzte er. »Also gut, ich fahre. Aber nur, wenn Sie versprechen, mir irgendwann die ganze Geschichte zu erzählen.«
»Versprochen.« Luis streckte ihm die Hand entgegen und sagte ernst: »Ich schulde Ihnen mehr, als ich je wiedergutmachen kann.«
Jackson schüttelte ihm die Hand. »Das heißt, ich kann Ihnen Ihre eigene Tierarztrechnung unter die Nase reiben?«
Er grinste. »Das hoffe ich doch.«
Dann sahen Jackson und Claudia einander an. Jacksons Stimme wurde schroff. »Du wirst nicht einfach verschwinden, sobald ich dir den Rücken zukehre, oder?«
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Auch ich bin dir etwas schuldig. Mindestens ein paar Heineken. Wenn nicht sogar ein Abendessen.«
»In Ordnung.« Jackson seufzte schwer und sah sich im Wohnwagen um. »Ihr braucht nicht abzuschließen, wenn ihr geht. Ich hoffe immer noch, dass irgendwer diesen alten Fernseher klaut.«
6
Tod
Claudia folgte Jackson zur Tür. Luis wandte sich ab, damit die beiden einen Augenblick unter sich waren. Er schüttelte eine verwaschene blaue Jogginghose aus, hielt sie sich vor den Bauch und begutachtete die Länge. Sie hörte auf halber Höhe seiner Waden auf.
Die Tür wurde geöffnet und geschlossen. Dann stieß Claudia leise die Luft aus, und ohne hinsehen zu müssen, wusste er, dass sie lachte. »Darin wirst du aussehen wie der Unglaubliche Hulk.«
»Ich weiß«, sagte er.
»Gib mal her«, sagte sie. »Ich schneide den Gummibund ab.«
Er reichte ihr die Hose und inspizierte dann die T-Shirts aus dem Kleiderbündel. Sie waren alle zu schmal für seine breiten Schultern. Er gab es auf, warf die Kleider
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